Zu Besuch bei einem der letzten Vertreter des alten Schmiedehandwerks.von Beate Küppers, erschienen in Ausgabe #6/2011
Beim ersten Anblick der Schmiede seines späteren Lehrmeisters wusste Bernd Hartwig als junger Mann sofort: »Das will ich machen«. Schon als Junge hatte ihn ein Amboss aus der stillgelegten Dorfschmiede so sehr fasziniert, dass sein Vater das Stück für ihn erwarb. Seine Ausbildung begann er in einem kleinen Ort bei Freiberg in Sachsen bei Günter Ebigt, der selber seine Meisterprüfung bei Fritz Kühn, einem der berühmtesten Kunstschmiede der DDR, abgelegt hatte. Seit 26 Jahren betreibt Bernd Hartwig inzwischen seine eigene Werkstatt in Potsdam. In dem großen, freundlichen Raum haben unzählige Maschinen, Werkzeuge, Materialien und Musterarbeiten ihren festen Platz. Der alte Amboss aus Sachsen steht neben dem Schmiedefeuer. Er trägt die eingravierte Jahreszahl 1911, feiert also gerade seinen hundertsten Geburtstag.
Ein Kulturerbe pflegen Das klassische Schmiedehandwerk ist heute zu einer Seltenheit geworden. Verbindungstechniken wie Nieten, Bunden oder Lochen haben mit dem Aufkommen der Schweißgeräte in den letzten hundert Jahren an Bedeutung verloren. Bernd Hartwig will die alten Traditionen aber bewahren. Nach der Wende gab es für ihn in der Denkmalpflege mehr als genug zu tun. An den Kandelabern von Schloss Sanssouci restaurierte er fein ziselierte Blätter; für ein Musterhaus im Holländerviertel erhielt er 1996 den Bundespreis für Denkmalpflege. Die Arbeit ist vielseitig: Türgriffe, Beschläge, Zaunspitzen, Jagdwaffen, alte Apothekeneinrichtungen oder Kirchenschlüssel aus einem Guss - selbst die vielen verschiedenen Hämmer, die zur Metallbearbeitung nötig sind, wurden früher von den Schmieden selbst hergestellt. Neben den handwerklichen Fähigkeiten, einem guten Gefühl für Metalle und für die richtige Wärme, sollte ein Schmied auch zeichnen können und vorab eine genaue Vorstellung davon haben, wie das fertige Stück später aussehen wird. Dass er selber nie Lehrlinge gehabt hat, bedauert Bernd Hartwig mit nunmehr 56 Jahren sehr. »Das habe ich verpasst«, sagt er und bezeichnet sich selber als Eigenbrötler. Was das Weitergeben von alten Handwerkstechniken angeht, sei er ein schlechtes Beispiel. Sein eigener Meister konnte sich noch viel Zeit nehmen, um Lehrlinge anzuleiten. Heute fehlen im Alltag die Ruhe und die Muße dazu. Freizeit ist knapp, und das Wort Rente ist aus dem Wortschatz gestrichen. Dabei werden die alten Fähigkeiten immer noch gebraucht. Es wäre schade, wenn sie verlorengingen. Selbst wenn eines Tages der Strom ausfallen oder knapp werden sollte, von dem heute so vieles abhängt – die alte Substanz bleibt immer da, und das Kulturerbe will gepflegt werden. Wer will heute noch das Schmieden lernen? Wo das traditionelle Schmiedehandwerk heute noch gepflegt und weiter- gegeben wird, kann man in der Zeitschrift für Metallgestalter erfahren, die nach Hephaistos, dem griechischen Gott des Feuers, benannt ist. Vom Hobbykurs im Messerschmieden bis zur Aus- und Weiterbildung gibt es ein breites Kursangebot. Es gibt internationale Schmiedefeste, so im bayerischen Kolbermoor und im österreichischen Ybbsitz. Solche Orte gehören zum Ring der Europäischen Schmiedestädte. Künstler und Metallhandwerker aus ganz Europa treffen sich hier und tauschen sich aus. Früher gab es verschiedene Metallberufe wie Hufschmied, Nagelschmied, Waffenschmied und Wagenbauer. Bernd Hartwig unterscheidet hier nicht, sondern stellt sich auf das ein, was seine Kunden, die aus dem ganzen Bundesgebiet kommen, von ihm brauchen. Um von seiner Arbeit leben zu können, verbringt er einen großen Teil seiner Lebenszeit in der Werkstatt. Reich wird ein Schmiedemeister heute nicht. Aber glücklich? Seine Augen leuchten auf: »Ja, denn meine Arbeit bleibt. Und auch ich lebe weiter durch meine Arbeit. Meine Kinder können später immer noch sehen, was ihr Vater gemacht hat.«