»Die Geschichte der Menschheit ist keine Geschichte des Tausches, sondern eine der Gabe!« Das zeigt der Soziologe Frank Adloff in seinem Buch »Politik der Gabe«, womit er die Debatte über alternatives Leben und Wirtschaften um eine interessante Denkfigur bereichert. Mit dem Begriff der »Gabe« argumentiert er dafür, eine lebensdienlichere Gesellschaft jenseits kapitalistischer Strukturen zu schaffen und statt als Homo oeconomicus als Homo donans zu leben: nicht als nur nach dem eigenen Nutzen strebender, sondern als schenkender Mensch. Adloff, der Nachhaltigkeit an der Universität Hamburg lehrt, beschreibt zunächst das Wesen der Gabe und erläutert dann ihre Rolle und ihre Potenziale im Spannungsfeld von Sozialismus und Kapitalismus, Wissenschaft und Konvivialität, Mensch und Natur, Zivilgesellschaft und Institutionen, Gesellschaft und Kunst sowie im globalen Nord-Süd-Verhältnis. Dabei baut er auf den Erkenntnissen des Soziologen und Anthropologen Marcel Mauss auf, der bereits 1925 in seinem Essay »Die Gabe« ethnologisches Material über die Praktiken indigener Kulturen zu einer Theorie der Gabe zusammengeführt hat. Für ihn bedeutet Geben, weder völlig eigennützig noch völlig altruistisch zu sein. Die Gabe vereint stattdessen Freiheit und Verpflichtung, Eigeninteresse und Gemeinsinn. Sie ist weder ökonomischer Tausch, noch reine Liebe oder Pflichtethik, sondern etwas Eigenes; vor allem zeigt sie, dass man sich mit dem Empfänger verbinden möchte, und frei und kreativ aus einer Fülle heraus handelt. Bei der Gabe ist die Beziehung zwischen den Akteuren das Wichtigste. Beim Geben selbst kann man sich natürlich erhoffen, dass die eigene Gabe in Zukunft erwidert wird, oder man kann sich mit ihr profilieren wollen. Das war und ist überall so. Es gibt jedoch noch ein anderes Schenken, das nichts erwartet und das eine Atmosphäre schafft, in der Kooperation erst entstehen kann. Die Schenkenden gehen bewusst das Risiko ein, nie etwas erwidert zu bekommen, und genau daraus entstehen Vertrauen und Beziehung. Beim Tausch einigt man sich dagegen auf die Konditionen und geht quitt auseinander – es bleibt nichts, was einen verbindet. Das Buch vereint eine Vielzahl nützlicher Quellen zu einem neuen Diskurs um die Gabe im 21. Jahrhundert, könnte dabei aber in seiner Argumentation kompakter, stringenter und kohärenter sein. Weniger Seiten hätten ausgereicht, und die Sprache ist sehr akademisch. Letztlich führt Adloff jedoch überzeugend diverse Parallelen älterer und neuerer alternativer Ansätze in Biologie, Philosophie, Ökonomie etc. auf, die alle die Geste der Gabe in sich vereinen.
Politik der Gabe Für ein anderes Zusammenleben. Frank Adloff Edition Nautilus, 2018, 320 Seiten ISBN 978-3960540915 19,90 Euro