Buchtipps

Marktwirtschaft reparieren (Buchbesprechung)

von Ute Scheub, erschienen in Ausgabe #52/2019
Photo

Kann man die Marktwirtschaft reparieren? Oliver Richters und Andreas Siemoneit bejahen diese Frage in ihrem gleichnamigen Buch. Sie outen sich als Anhänger des »Ordolibe­ralismus« und der »sozialen Utopie der Markwirtschaft«, wie sie Walter Eucken (1891–1950) skizzierte. Eucken glaubte, dass man die Macht der Kartelle zähmen müsse, damit die Märkte funktionieren könnten.
Richters und Siemoneit kritisieren die Machtfülle von Konzernen, die auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich und den zerstörerischen Ressourcenverbrauch. Dadurch würde die »Leistungsgerechtigkeit« zugunsten weniger verzerrt – für die Autoren ein zentraler Begriff, in dem das ganze Problem ihres theoretisch nicht sehr gut begründeten Konzepts steckt. Sie halten Leistungsgerechtigkeit für etwas Positives und weithin Anerkanntes – und übersehen damit die gesamte feministische, marxistische und ökosoziale Kritik an der Steigerungslogik des Kapitalismus. Wenn ich umso besser bezahlt werde, je mehr ich »leiste«, trägt auch das – wie so vieles andere, das Richters und Siemoneit übersehen – zum Wachstumszwang bei. Die Frage, warum manche Tätigkeiten – etwa in der Kinder- und Altenpflege oder in der Subsistenzwirtschaft – gänzlich unbezahlt sind, stellen sie sich gar nicht.
Dennoch machen die Autoren wichtige Vorschläge, denen man eine sofortige Realisierung wünscht. Ausgehend von eben jener Norm der Leistungsgerechtigkeit kritisieren sie die komplett leistungslosen ­Einkommen in Form einer Bodenrente, die reichen und superreichen Boden- und Immobilien­besitzern zuströmt. Um diese enorme Ungerechtigkeit abzubauen, schlagen sie eine Bodensteuer vor. Ihre Einführung hätte positive Folgen in Stadt und Land: Die Bodenspekulation würde ausgebremst und die Landwirtschaft ein Stück weit dekapitalisiert; auch die hohen Mieten und Hauspreise in den Städten würden gemindert.
Ihren weiteren Vorschlägen wünscht man ebenfalls Erfolg: der Einführung eines »Vollgeldes«, das die Kreditschöpfung der Banken »aus dem Nichts« beendet; progressive Einkommens- und ­Vermögenssteuern sowie eine Ressourcensteuer, die die Ver(sch)wendung von Rohstoffen und den Ausstoß von Treibhausgasen kappen und deckeln soll. Steuern allein werden allerdings die »wirtschaftlichen Machtkörper«, die Richters und Siemoneit zu Recht kritisieren, nicht auflösen. Fazit: Ein anregendes, aber nicht zu Ende gedachtes Buch.

 

Marktwirtschaft reparieren
Entwurf einer freiheitlichen, gerechten und nachhaltigen Utopie.
Oliver Richters, Andreas Siemoneit
oekom, 2019
200 Seiten
ISBN 9783962380991
17,00 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #52

Photo
von Maria König

»Ich bringe mich mit allem ein«

Beim Nachdenken darüber, mit wem ich für diese Ausgabe ins Gespräch kommen will, fällt mir Willow Proctor ein. Ich kenne sie als Gastgeberin von Redekreisen und Schwitzhüttenritualen einer von indigenem Wissen inspirierten Versammlungs- und Heilkultur. Ihr Engagement

Photo
von Carolin Waldmann

Frag deine Mama

Seit Mitte Januar wirke ich als Praktikantin in der Oya-Redaktion mit. Das tue ich im Rahmen von »Project Peace«, einem einjährigen Programm, in dem ich mit sieben anderen jungen Menschen eine zukunftsfähige Kultur auf individueller und kollektiver Ebene erforsche und erlebe.

Photo
von Oya – Redaktion

Wie siehst du ­deine Welt?

Diese Oya-Ausgabe ist auf eine ungewöhnliche Weise entstanden: Zusammen mit Mitgliedern aus dem Oya-Hütekreis (siehe Seite 7) haben wir mit Menschen, die Oya nicht kannten, Gespräche geführt – mit Menschen, die sich eher außerhalb der Kreise, in denen die

Ausgabe #52
Menschen wie du und ich

Cover OYA-Ausgabe 52
Neuigkeiten aus der Redaktion