Christoph Harrach glaubt an das Wandlungspotenzial grüner Ökonomie. Sein jährlicher Kongress »KarmaKonsum« und sein gleichnamiger Blog versorgen Entscheiderinnen und Entscheider aller Branchen mit kulturkreativen Informationen und Impulsen.von Lara Mallien, erschienen in Ausgabe #7/2011
»KarmaKonsum«? Als ich vor fünf Jahren zum ersten Mal auf Christoph Harrachs Blog-Seiten landete, musste ich schlucken. In der TItelgrafik der Seite schiebt ein Engel einen Einkaufswagen mit Produkten, auf denen »Organic«, »Fair«, »Green«, »Social« steht. Ich werde immer skeptisch, wenn suggeriert wird, der grüne Konsum sei der Engel, der die Welt rettet. Aber ich blieb auf der Seite hängen. Die Beiträge der – damals noch zwei – Blogger Christoph Harrach und Noel Klein-Reesink waren zu gut, um schnell weggeklickt zu werden – intelligent, witzig, selbstkritisch. Im Nachgang zu einem Vortrag von Oya-Herausgeber Johannes Heimrath auf der zweiten KarmaKonsum-Konferenz lernte ich die beiden als junge Leute kennen, die ihre Welt mit Haut und Haar verstehen und den Zeitgeist aktiv mitgestalten wollen. »Das Konsum-Thema war der Anfang«, erzählt Christoph, der KarmaKonsum inzwischen alleine betreibt. »Laufend kam Neues hinzu.« Alles begann mit einer Aussteigergeschichte. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium hatte es Christoph in den Online-Vertrieb des Neckermann-Versands verschlagen. Er kam im Hawaii-Hemd und Flipflops zur Arbeit, die anderen im Anzug. Das ging nicht lange gut. Die nächste Runde als Marketing-Leiter von Hess Natur war schon besser, aber noch nicht das Richtige. Schon während der Neckerman-Zeit begann Christoph eine Ausbildung zum Yogalehrer, nachdem ihn Yoga von seinem Asthma befreit hatte. Es war diese innere Arbeit, die ihm den Kopf frei werden ließ für eine Selbständigkeit als Berater, Trendscout und Netzwerker. Zunächst begeisterte ihn vor allem der Trend aus den USA, Nachhaltigkeit über Design und Ästhetik zu kommunizieren. »Green Glamour war der Anfang von KarmaKonsum«, erzählt Christoph, »aber es war nur der Einstieg in einen umfassenden Veränderungsprozess. Für viele Menschen ist der Nachhaltigkeitstrend eine Einstiegsdroge. Wenn du dich eine Zeitlang giftfrei ernährst, sich der Körper reinigt, wird der Geist offener für Dinge, die über den Hedonismus hinausgehen. Plötzlich bekommen soziale Fragen Bedeutung, die Bedingungen, unter denen Produkte hergestellt werden, fairer Handel, der Ressourcenverbrauch durch unseren Lebensstil gerät in den Blick, neue Wohlstandsmodelle, die Subsistenz-Perspektive, spirituelle Werte, so geht es immer weiter.«
Alle Wandlungsprozesse stärken Christophs Blog dokumentiert eine Entdeckungsreise in alle möglichen kreativen Weltgestaltungsunterfangen. Zum Beispiel war am 24. Juli 2009 »Guerilla-Stricken und Strick-Graffities« der neue Fund: Statt die Stadt zu besprühen, wird sie eingestrickt. Das verbindet Selbermachen, Gemeinschaftsaktion und kreative Stadtgestaltung. Kurz darauf berichtet er von der »Critical Mass« in Frankfurt, einem internationalen Fahrrad-Flashmob, bei dem Radfahrer die Innenstädte erobern. Dann kommen wieder brave Produkt-, Veranstaltungs- oder Buchtipps, gefolgt von einem Bericht über einen »Carrotmob« von 200 Ökos, die in der gutbürgerlichen Frankfurter Kneipe »Luftikus« eine spontane Klimaschutz-Party gefeiert haben. In letzter Zeit häufen sich Tipps zum urbanen Gärtnern auf dem Blog, und am 15. Dezember schreibt Christoph: »Beim zukünftigen Konsum geht es zunehmend weniger um das Besitzen, sondern mehr um Tauschen, Verteilen, Nutzen, Leihen und Mieten.« Er sieht es als seine Aufgabe, Graswurzel-Bewegungen sichtbar zu machen und in den Mainstream zu tragen, um die kulturkreative Bewegung zu stärken. Dabei bezieht er sich auf den Soziologen Paul H. Ray, demzufolge bis zu einem Drittel der Menschen aller Schichten für ökologische und soziale Werte aufgeschlossen sind – eben die Kulturkreativen. »Die Kerngruppe ist erst klein, aber jede Menge Leute sind in einer Übergangsphase. Für sie muss man der Einstieg in andere Lebensweisen leicht und attraktiv machen.« Christoph wird demnächst in seiner Dissertation untersuchen, wie sich ein nachhaltiger Lebensstil im Privaten auf den Wunsch, das Berufsleben nachhaltig, selbstbestimmt und sinnerfüllt zu gestalten, auswirkt. »Irgendwann wird niemand mehr in Greenwashing-Konzernen mit hierarchischen Strukturen arbeiten wollen«, meint er. »Die Unternehmen werden sich von innen heraus wandeln, und es wird auch Mut zu ganz neuen Arbeitsformen und Strukturen entstehen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.«