Permakultur

Baumschutz vom Profi

Praxisanleitung für die Baumpflanzung auf Weideflächen.
von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #58/2020
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© Thomas Lochschmidt

Wird für ein größeres Gelände – z. B. eine SoLaWi-Fläche, einen Stadtpark oder einen landwirtschaftlichen Betrieb – eine Nutzungs­planung angefertigt, steht zu Beginn in der Regel die Standortwahl für Bäume. Schon bald werden diese gepflanzt, denn es dauert bei Obstbäumen mehrere Jahre, bis sie nennenswerten Ertrag produzieren. Ärgerlich ist es, wenn junge Bäume durch Weide- oder Nagetiere, Rehe, angelehnte Fahrräder oder Mähwerk­zeug geschädigt werden. Der Dresdener Baumpfleger Thomas Lochschmidt pflanzt und pflegt Bäume schon seit bald zwanzig Jahren und teilt seine Erfahrungen, damit viele Bäume groß werden können.
In Thomas’ Praxis hat sich als Baumschutz ein Drei-Pfahl-Bock, kurz »Dreibock«, bewährt. Die nachfolgend beschriebene Variante hat er in den letzten zehn Jahren immer weiter optimiert und bereits mindestens tausendmal unter verschiedenen Umständen verbaut. Der Dreibock hält demnach auch den Bedingungen stand, die auf einer Rinderweide herrschen. Es ist Thomas wichtig, zu betonen, dass es nicht nur auf Schutz und Stabilität ankommt. Das gesamte System funktioniert immer nur so gut, wie die Pflege der Jungbäume ambitioniert fortgeführt wird. Beispielsweise sollten die Baumscheiben in den ersten zwei bis drei Jahren durch Hacken vom Grasbewuchs freigehalten werden, um die Wurzelkonkurrenz zu vermeiden; und in trockenen Sommern ist auch das Gießen von Jungbäumen nötig.
Für den Dreibock werden drei langlebige Hartholzpfähle möglichst eng um den Baum gesetzt. Ziel ist primär der Schutz des Stamms, nicht der eines tiefen Kronenansatzes und dessen Fruchtertrags. Auf beweideten Flächen sollte der Kronenansatz ohnehin über der Reichweite der Tiere liegen; im Fall von Rindern also mindestens zwei Meter oder höher.

Vorteile des Dreibocks auf Weiden
Das enge Setzen der Pfähle hat den Vorteil, dass die mit dem Dreibock eingezäunte Fläche klein bleibt, und auf Weiden die Huftritte der Tiere bis nahe an den Stamm heranreichen. Das ist günstig, da auf diese Weise Wühlmausgänge verdichtet werden. Die Seitenflanken des Dreibocks werden mit Wildzaun, einem starken, scheuerstabilen Metallgeflecht, eingehaust. Dabei werden die unteren etwa 50 bis 60 Zentimeter offengelassen. (Dies gilt für Rinderweiden. Bei Schaf- oder Ziegenhaltung müssen andere, angepasste Lösungen gefunden werde, etwa ein stärkerer knabberresistenter Stammschutz statt des Wildzauns.) Auch wenn deshalb zusätzlich ein enganliegender direkter Schutz der Baumrinde vor Verbiss oder Mähwerkzeug angebracht werden muss, hat diese Bauweise deutliche Vorteile: Ohne Öffnen des Wildzauns und das übliche Brechen des Drahts nach drei- bis viermaligem Hin- und Herbiegen kann die Baumscheibe gehackt, gedüngt und gewässert beziehungsweise später auch gemäht werden. Zusätzlich arbeiten – sofern vorhanden – die Weidetiere mit, denn sie können das Gras bis an den Stamm heran abfressen. Mit der Zugänglichkeit zum Gras im Dreibock umgeht man das Problem der »Bonbons« auf Weiden. Bei bis zum Boden geschlossenen Dreiböcken bietet sich nämlich häufig folgendes Bild: Die Tiere stehen auf der weitgehend leergefressenen Weide, und in den Dreiböcken steht das saftige Gras. Die Tiere haben nun ohne Futter auf der Weide nichts zu tun und machen sich so lange mit Gewalt an den Dreiböcken zu schaffen, bis sie an das eingezäunte Gras kommen. Bleibt der Baumschutz unten offen, gibt es keine ausgehobenen oder anders ramponierten Drahtgeflechte.
Wichtig in Bezug auf Wühlmäuse ist es auch, die Baumscheibe vom Niveau her flach zu halten. Idealerweise ist sie in Bezug auf die umgebende Fläche leicht eingesenkt. Eine aufgewölbte Baumscheibe im Dreibock nutzen die Mäuse nur zu gerne als trockenen, vor dem Tritt der Weidetiere geschützten Aufenthaltsort; hier können sie ungestört an den Baumwurzeln nagen. Der unten offene Wildzaun und das damit immer wieder abgefressene beziehungsweise regelmäßig gemähte Gras wirkt auf die im Sommer quartiersuchend umherziehenden Jungmäuse wenig attraktiv. Auch der Fuchs als wesentlicher Mäusevertilger hat stets Zugriff auf die Baumscheibe.
Sind die Bäume mit zunehmendem Alter stabiler geworden, entfernt Thomas den Wildzaun oftmals ganz und bringt direkt am Baumstamm ein knapp zwei Meter hohes Drahtgeflecht, sogenannten Kaninchendraht, an.
Durch den nun noch stärkeren Zugriff der Tiere auf die Baumscheibe wird der Ort für Mäuse noch unattraktiver, während der Pflegeaufwand weiter sinkt. Generell zieht Thomas ein positives Fazit zum Miteinander von Weidetieren und Bäumen  – sofern man sich vorher bewusst dafür entscheidet: »Die Tiere helfen uns immens bei der Pflege und beim Senken des Wühl­mausdrucks. Wir schützen im Gegenzug die Obstbäume und steuern das ganze System.« Auch später sollen die älteren Bäume und die Tiere miteinander klarkommen – warum also nicht die Vorteile dieser Symbiose bereits von Anfang an nutzen? Das setzt natürlich ein sinnvolles Weideregime voraus; beispielsweise würde eine Standweide mit Zufütterung über den ganzen Winter das System sicherlich überfordern.
Zur Anbringung des genannten Drahtgeflechts, das nach etwa zehn Jahren den Wildzaun ablöst, hat Thomas eine eigene Technik gefunden. Dabei wird, wie in der Zeichnung auf der folgenden Seite dargestellt, der Draht um den Stamm geschlagen, gefalzt und angedrückt. Je nach Zunahme des Stammumfangs gibt man aus der zusammengefalteten Reserve einmal jährlich etwas Material zu. So liegt das Drahtgeflecht immer gut an, führt aber – bei sorgfältiger Wartung – nicht zu Einschnürungen.

Baumscheibenpflege
Sobald der Grasbewuchs nach den ersten zwei oder drei Jahren bis an den Stamm heranreicht, kann nach Thomas’ Erfahrung ein bewusst gewählter Zeitpunkt der Pflegemaßnahmen viel Arbeit ersparen und die Baumscheibe für Wühlmäuse unattraktiv halten: Er mäht auf den erst im Sommer beweideten Flächen im Frühjahr, etwa zur Zeit der Löwenzahnblüte, die Bäume im Radius von zwei Metern rund um den Stamm frei; das Schnittgut lässt er liegen. Anstelle des hohen Verbrauchs an Wasser und Nährstoffen durch die wachsende Grasnarbe im Mai hat man damit eine sich sehr schnell zersetzende Gründüngung. Außerdem fressen die Weidetiere später das zum Zeitpunkt des Sommerauftriebs um die Bäume herum deutlich jüngere und damit weichere Gras bis an den Stamm heran ab, und so ist keine Nacharbeit, wie das Wegharken von Mähgut, nötig. Wer mit der Sense arbeitet: Das Gras ist im Frühjahr noch schön weich. Durch ­rechtzeitiges ­Mähen kann man sich also mit wenig Aufwand viel Arbeit im Sommer sparen. Gibt es keine Grasfresser am Standort eines Baums, muss freilich mehrmals im Jahr gemäht werden.

Baudetails
Um eine wartungsfreie Standzeit des Dreibocks bis zum Erreichen der beweidungsstabilen Standfestigkeit von Jungbäumen nach etwa zehn Jahren zu gewährleisten, muss man einige Baudetails beachten. Gute Erfahrungen hat Thomas bisher mit Holzpfählen aus Robinie, Eiche (keine Roteiche!) und Lärche gemacht. Die Haltbarkeit hängt insbesondere von der Jahresringdichte des Pfahlholzes, aber auch von der Aktivität des Bodenlebens ab. In sehr nährstoffreichen, feuchten und umsatzstarken Böden sind selbst Robinienpfähle nicht sehr langlebig – aber dort wachsen ja auch die Bäume flott heran, so dass das Gesamtkonzept dennoch funktioniert .
Für Flächen mit Rinderbeweidung liegt die Pfahllänge bei 250 bis 280 Zentimeter; die Pfosten ragen dann 180 bis 200 Zentimeter aus dem Boden heraus, was bei einer »normalen« Beweidung ausreicht. Härteren Bedingungen für die Bäume, wie sie bei monatelanger Standweide oder bei Mineralstoffmangel in der Herde herrschen, sollte mit höheren Gerüsten begegnet werden, denn in solchen Fällen kann es vorkommen, dass die Tiere auch mal die ganze Krone herunterreißen. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern eine solche Fläche überhaupt für das Anlegen einer Streuobstwiese geeignet ist.
Die Pfahldicke ist ebenfalls wichtig, bestimmt sie doch wesentlich die Verdrängungsfläche bei seitlicher Druckbelastung. Thomas verwendet erfolgreich Pfähle ab zehn bis zwölf Zentimetern Durchmesser; diese halten beispielsweise auch regelmäßig angelehnte Fahrräder gut aus. Bei hohem Beweidungsdruck sind 20 bis 25 Zentimeter Durchmesser sinnvoll. Das ist ein erheblicher Materialaufwand, der allerdings bei Baumstandorten beispielsweise nahe der Tränke auf Rinderweiden sinnvoll investiert ist. Bei den Querlatten ist es wichtig, die Haltbarkeit mit jener der Pfähle abzustimmen. Fichtenholz etwa fault deutlich schneller weg als die Robinienholzpfähle im Boden. Das Brett­material sollte zudem gut abgelagert sein, um nicht bei der ersten Frühlingstrockenheit aufzureißen. Thomas verwendet häufig die Pfähle von abgebauten Dreiböcken wieder, indem er sie der Länge nach halbiert.
Die Länge der Querlatten und die Art der Anbindung bestimmen die zu gewährleistende Bewegungsfreiheit des Baums im Dreibock: Ist der Raum zum Schwingen zu eng, schlägt sich die Stammrinde am Querholz auf. Der Baum sollte also zu allen Querhölzern etwa 30 Zentimeter Abstand haben. Nach Thomas’ Erfahrung ist eine Länge von 70 bis 100 Zentimetern sinnvoll; entscheidend ist aber auch hier, die Umgebung zu berücksichtigen: Bei Wiesenflächen, die beispielsweise zur Heugewinnung mit großen Maschinen gemäht und erst später im Jahr nachbeweidet werden, verringert sich bei schmalen Dreiböcken der stehenbleibende Grasstreifen in der Baumreihe – und damit auch der Aufwand des Nachmähens.
Die Querlatten sollten nicht zu dick sein, da sonst die Hebelwirkung auf die Schrauben zu groß wird. Vier bis fünf Zentimeter reichen aus, lassen sich gut bohren, und auch die Schraubenlänge bleibt handlich. Um eine gute Stabilität zu erreichen, sollte die Kontaktfläche des Querholzes zum Pfahl möglichst schlüssig über fünf bis zehn Zentimeter anliegen.
Für die Verschraubung nutzt Thomas grundsätzlich Sechskant-Holzschrauben (8 × 70 bis 8 × 90 mm Länge). Spanplatten- oder ähnliche Schrauben brechen in dem bei Feuchtigkeit arbeitenden Holz irgendwann ab. Das ist ärgerlich, auch wenn es nur wenige Dreiböcke betrifft, denn man muss dann immer wieder mit Werkzeug, Schrauben und meist einer zweiten Person zum Halten auf die Flächen, um minimale und unnötige Reparaturen durchzuführen.
In dem Dreibock stabilisiert eine Anbindung den Baum so weit, dass die feinen, sich neu bildenden Wurzeln nicht durch eine Hin- und Herbewegung des Stamms immer wieder abgerissen werden. Später verhindert sie, dass der Stamm durch Windlast krumm wird oder an den Querhölzern des Dreibockes anschlägt, so dass die Rinde abschabt. Ein klarer Nachteil der Bindung ist, dass die Stämme sich durch den fehlenden Bewegungsreiz oftmals nicht ausreichend kräftigen, also wenig Dickenzuwachs aufweisen. Sie bleiben dann unterhalb der Bindestelle dünn und biegsam. Thomas' Lösung für den Dreibock besteht darin, die Bindung am Stamm tiefer zu setzen. Der Anteil der bewegten Stammlänge wird dadurch größer; außerdem wird es möglich, die Bindung in etwa 120 Zentimetern Höhe auf den Verbissschutz des Stamms – ein feinmaschiges Drahtgeflecht oder eine handelsübliche Plastikhülse – aufzulegen. Sie kann dann nicht herunterrutschen, bleibt locker, und der Stamm bleibt im Dreibock beweglich.


Weitere Informationen
zum verwendeten Wildzaun, den Arbeits-abläufen und zu erprobtem Werkzeug für Baumpflanzung, Dreibockbau und Pflege gibt Thomas Lochschmidt bei Praxiskursen. Zum Nachlesen: www.obstbaumpflege-fortbildung.de/materialien

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