Kann die 2500 Jahre alte buddhistische Lehre helfen, Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen von heute zu lösen? Genauer: Hat sie in der Postwachstums-Diskussion Grundsätzliches zu bieten? Ja, meinen Manfred Folkers und Niko Paech, Buddhist und Meditationslehrer der eine, Ökonom und angesehener Wachstumskritiker der andere. Der Titel ihres Buchs nimmt die Botschaft kurz und prägnant vorweg: »All You Need is Less«, also etwa »Weniger ist mehr«! Den Kern des Buddhismus beschreibt Manfred Folkers als alltagstaugliche Philosophie jenseits von asiatischer Exotik. Die vier buddhistischen Grundwahrheiten formuliert er modern so: »1. Leiden betrachten. 2. Dessen Ursachen erkennen. 3. Deren Ende einleiten. 4. Diesen Prozess verwirklichen.« Als Ursachen des Leidens nannte der Buddha drei Faktoren, die die Menschheitsgeschichte begleiten: Gier, Hass und Verblendung. 25 Jahrhunderte später sieht Folkers als Ergebnis eine in der Wachstumsfalle gefangene Gier-Wirtschaft, die »mit allen Mitteln darum kämpft, ihren Zusammenbruch hinauszuzögern«. Die ideale Zeit also, die Werkzeuge zu nutzen, die der Buddhismus anbietet, um die Leidensursachen zu überwinden: Innenschau und Meditation könnten dem Immer-mehr-haben-Wollen Qualitäten wie Mitgefühl und Freude entgegensetzen, aber auch Gleichmut und Gelassenheit, um in diesen Zeiten nicht zu verzweifeln, und im Ergebnis: »weniger Eile. Weniger Verdichtung. Weniger Entfremdung und Burn-out.« Im ökonomischen Wortschatz heißt diese Lösung Suffizienz und meint die »Kunst der Unterlassung und Verneinung«. Theoretisch klingt das attraktiv. In der Praxis verlangt Suffizienz nach Niko Paechs Erfahrung »gehörigen Mut zum Unzeitgemäßen«, denn sie versinnbildliche »die perfekte Gegenkultur zu allem, was als innovativ propagiert wird«. Technisierung, Digitalisierung und globale Entgrenzung haben nach Paechs Analyse in die Falle der »Bequemokratie« geführt, in der »expansive Zwangsbeglückung« per Konsum alles überstrahlt. Der Mallorca-Urlaub gilt als Menschenrecht, egal um welchen Preis. Selbst was sich »nachhaltig« nennt, sei oft Feind der Genügsamkeit. Öko-Alternativen wie E-Mobilität, Passivhäuser, Wasserstoffantriebe bis hin zu Biokost führten eben oft nicht zum notwendigen Senken des eigenen Anspruchsniveaus, sondern eher zu »moralischer Imprägnierung« per Selbstbetrug. Und nun? Beide Autoren setzen auf Lebensqualität durch das Abwerfen von Ballast, auf persönliche Entschleunigung und Verbundenheitsgefühle zur Mitwelt. Der Buddhist Folkers hofft außerdem auf die Politik. Seine Utopie ist eine Weltregierung, in der auch die Biosphäre und die Zukunft Stimmen haben. Der Ökonom Paech sieht da schwarz: Demokratie sei machtlos in einer Welt, in der die Wählerinnen und Wähler »denen da oben« die Schuld am Zustand der Welt geben, aber jede und jeden abstrafen, der ihr »ruinöses Konsumieren« einschränken will. Seine Hoffnung legt er in eine Avantgarde von Initiativen, die Genügsamkeit vorleben und in schweren Zeiten Vorbild werden können – weil der Mut zum heute Unzeitgemäßen morgen nicht nur zeitgemäß, sondern notwendig sein dürfte.
All You Need is Less Eine Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht. Manfred Folkers, Niko Paech oekom, 2020 256 Seiten ISBN 978-3962380588 20,00 Euro