Titelthema

Wurzeln und wirken im Havelland

Aus dem »Mosaik des guten Lebens«.
Photo
© Fritz Schadow

Wir sind das sozial-ökologische Wohnprojekt »wurzeln und wirken«: 19 Erwachsene und zwölf Wachsende, die seit 2015 ein Grundstück in einem havelländischen Dorf bei Berlin zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben. Als Teil des Mietshäuser­syndikats gehört uns alles gemeinsam – beziehungsweise der GmbH, die dem Verein untersteht, in dem wir alle Mitglieder sind. Die Häuser können nicht in Privateigentum umgewandelt oder auf dem Immobilienmarkt verkauft werden.
Das einen Hektar große Gelände haben wir in diesen fünf Jahren neu gestaltet. Den Altbau haben wir mit Jutedämmung und anderen ökologischen Baumaterialien saniert, ein neues, zwei-stöckiges Stroh-Lehmhaus bewohnen wir seit drei Jahren. Eine Scheune mussten wir abreißen, die andere haben wir gesichert und mit einer Solaranlage versehen. Die Wiese haben wir zum Teil in einen Obst- und Gemüsegarten verwandelt.
Durch so viel Bauen und Gestalten haben wir auf unserem Grundstück ganz gut gewurzelt und wollen jetzt mehr ins Wirken kommen. In Ansätzen gibt es dafür einen Veranstaltungsraum, den ein Verein verantwortet, zu dem Leute von uns und aus dem Dorf gehören, eine Holz- und eine Fahrradwerkstatt sowie eine Verteilstation für gerettete Lebensmittel.
Was leben wir voraus? Wir entscheiden im Konsens, um alle Beteiligten mitzunehmen, und nehmen uns Zeit, alle im Plenum zu hören. Konflikte oder Konfliktkeime lösen wir durch Kommunikation und Supervision. Alle Projektaufgaben werden unter uns verteilt – immer mal wieder neu, damit es für alle passt. Wir verteilen die Miete per Bieterverfahren solidarisch um und führen eine gemeinsame Essenskasse. Wir essen vegetarisch oder vegan und bio und teilen uns unter anderem Küchen, Werkzeuge und ein Auto. Wir haben es bisher nicht geschafft, Raum für Geflüchtete beziehungsweise für auf dem Mietmarkt nicht Privilegierte zu schaffen. Wir sind zu homogen, zum Beispiel weiß, hetero, aus der Mittelschicht, um als offener Raum für alle wahrgenommen zu werden. Wir wollen zumindest vom Alter her diverser werden und ein Ort sein, an dem sich sowohl Menschen mit als auch ohne Kinder wohlfühlen.  
Astrid Goltz

www.wurzelnundwirken.de

weitere Artikel aus Ausgabe #59

Photo
von Matthias Fersterer

Immer jetzt, immer hier

Wie gehen wir damit um, dass die Welt, in der wir leben, (auch) das Produkt von Plänen zu einer vermeintlichen schönen neuen Welt ist? – Die Kernfrage dieser Ausgabe schließt direkt an die vergangene Ausgabe mit dem Titel »Altlasten lieben lernen« an. Dort haben

Photo

»Nicht jede Schulkritik stellt die Bedürfnisse junger Menschen in den Vordergrund«

In der Bildungsrubrik von Oya versuchen wir, Menschen und Ideen zu Wort kommen zu lassen, die aktiv an positiven Veränderungen des Bildungssystems arbeiten. In diesen gelebten Alternativen schwingt die Kritik an bestehenden Umständen häufig implizit mit.    Die vergangenen

Nähe, Mut und Vielfalt – Regionalität wirkt! (Buchbesprechung)

Laut Umfragen legen 78 Prozent der Deutschen Wert auf regionale Lebensmittel. Allerdings ist nirgendwo definiert, wie groß der Umkreis für »regional« eigentlich sein darf – weshalb einige Lebensmittelkonzerne unter diesem Label Waren anbieten, die viele hundert oder

Ausgabe #59
Schöne neue Welt?

Cover OYA-Ausgabe 59
Neuigkeiten aus der Redaktion