Ein Überblick über die Möglichkeiten, das Kleinklima im Garten zu gestalten – und so vielleicht sogar das Weltklima zu beeinflussen.von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #60/2020
Viele große Fragen und gesellschaftliche Entwürfe zum Klimawandel drehen sich um Konsumveränderung oder technische Lösungen. Dabei wird selten bedacht, dass gärtnerische Gestaltungskraft durchaus Veränderungen im Kleinen bewirkt; zusammengenommen können viele lokale »Flecken« (siehe Seite 62) durchaus das Weltklima beeinflussen.
Die Wissenschaft teilt das Klima in mehrere Ebenen ein. Vom Großen zum Kleinen hin betrachtet, finden wir global zunächst eine Einteilung nach Zonen. Mitteleuropa liegt in der gemäßigten Zone, und je nach Abstand zum Meer gibt es Unterschiede bei den Niederschlagsmengen. Zoomt man sich weiter in die Landschaft hinein, kommen wir zum Regionalklima, das durch Gewässer, Höhenlage und Windeinflüsse geprägt ist. Beispielsweise hat die Flussregion an der Elbe rund um Dresden weniger Wind und mildere Winter als die höher gelegenen Mittelgebirge im Umkreis. In den Regionen variiert das Lokalklima beispielsweise durch Tal- oder Höhenlage sowie durch unterschiedliche Vegetation und Bebauung – die letzten beiden Punkte liegen im menschlichen Einflussbereich.
Vom Klein- oder Mikroklima sprechen wir dann, wenn es um verschiedene Bereiche innerhalb eines Gartens geht. Hier gibt es viele Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei ist das Kleinklima neben dem Bodenzustand ein wesentlicher Wachstumsfaktor, denn Pflanzen haben unterschiedliche Ansprüche – je nachdem, woher sie ursprünglich kommen. So werden mediterrane Kräuter aromatischer, wenn sie auf sonnigen, nährstoffarmen Flächen wachsen. Als Gärtnerin kann ich die grundsätzliche Entscheidung treffen, entweder den größeren Klimafaktoren entsprechend anzubauen und auf einige Pflanzenarten zu verzichten, oder mit kleinräumiger Veränderung die Verhältnisse so zu lenken, dass sie den Bedürfnissen meiner Pflanzen entgegenkommen.
Ziele von kleinräumiger Gestaltung sind hierzulande meist die Sicherung oder Verbesserung von Sonneneinstrahlung besonders zur Reifezeit der Pflanzen sowie die Abmilderung von Klimaextremen. Das heißt, dass Frost vermieden und eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur angestrebt wird. Oft ist es dabei zielführend, den Einfluss des Winds zu verringern, um im Sommer ein Austrocknen oder im Winter ein Auskühlen von Pflanzen oder Tieren zu verhindern.
Grundsätzlich gilt es, den Ort zu den verschiedenen Jahreszeiten gut zu beobachten und herauszufinden, was der Nutzer oder die Nutzerin wollen und was der Ort braucht.
Geologische Gegebenheiten
Die Geländeform bildet die Ausgangsbasis, da sie die Lage und Neigung zur Sonne vorgibt. Ob ein Grundstück sich auf einem Hügel befindet, an Nord- oder Südhang oder auf einer Ebene, verändert die Anbaumöglichkeiten. Hier einzugreifen, ist nur begrenzt möglich und erfordert entweder viel Muskelkraft oder einen Bagger, beispielsweise zum Bau von Terrassen – an einem flachen Nordhang kann das zu mehr bzw. intensiverer Sonneneinstrahlung führen. In jedem Fall ist es sinnvoll, sich die vorhandene Geländeform gut anzuschauen, um sie bestmöglich zu nutzen. Manchmal findet sich schon dabei eine Sonnenfalle, das heißt eine nach Süden ausgerichtete Struktur, die Windschutz bietet und eine optimale Sonnenausnutzung ermöglicht.
Auch die Art des Bodens wirkt sich auf das Kleinklima aus, vor allem die Zusammensetzung der mineralischen Ausgangsbestandteile. Diese läßt sich freilich nur durch den Eintrag von Bodenmaterial von anderen Standorten verändern, denn die Zusammensetzung wird durch das natürliche am Ort vorhandene Gestein bestimmt. Die daraus entstandenen Anteile von grobem Material – also Sand oder feineren Bestandteilen wie Schluff und Ton – bestimmen zu einem großen Teil die Eigenschaften des Bodens. Viel Sand sorgt für viel Platz zwischen den Bodenteilchen, macht ihn locker und leicht zu bearbeiten, bringt aber auch einen geringeren Wasser- und Nährstoffrückhalt mit sich. Letzterer steigt mit Zunahme der Schluff- und Tonanteile an. Offener Boden mit hohem Sandanteil erhitzt sich oberflächlich schnell, leitet die Wärme aber nicht sehr tief und speichert sie nicht lange.
Die mineralische Bodenzusammensetzung wird nur in seltenen Fällen verändert. Leichter zu beeinflussen ist der Humusgehalt. Große humusreiche Flächen wirken sich auf den globalen Klimahaushalt aus, unter anderem durch die Bindung von Kohlenstoff. Kleinklimatisch sorgt mehr Biomasse an und im Boden für mehr Bodenleben, ein besseres Bodengefüge und so für mehr Wasserrückhalt. Mehr Wasser in der Landschaft wirkt sich wiederum dämpfend auf das Klima aus. Der Humusgehalt im Boden läßt sich durch Komposteintrag, bodenschonende Bearbeitung und Bodenbedeckung mit Mulch steigern. Mulch schützt das Bodenleben, verhindert Erhitzung und Austrocknung im Sommer, kann jedoch durch seine isolierende Wirkung im Frühjahr die Keimung und das Wachstum von Jungpflanzen verzögern; dann ist es sinnvoll, ihn zeitweise beiseite zu lassen.
Menschengemacht
Die Art der Vegetation beeinflusst das Mikroklima vor Ort deutlich. Flächen mit niedrigem Bewuchs heizen sich schneller auf, kühlen aber auch schneller ab. Büsche und Bäume dämpfen die Sonneneinstrahlung, bremsen oder lenken den Wind und halten mit ihren langen Wurzeln und der Verdunstung über ihr Laub den lokalen – und den globalen – Wasserkreislauf in Gang.
Nach eingehender Beobachtung kann man die Bepflanzung an Geländeform und Außeneinflüsse wie Windrichtung und Sonneneinfall anpassen. Beispielsweise befindet sich unser Gemüsegarten an der westlichen Grundstücksseite. Jenseits der Grenze liegt ein Feld, auf dem Spritzmittel eingesetzt werden. Deshalb ist der Garten an der Westseite, der Hauptwindrichtung, mit einer dicken Hecke bewachsen, die sich auch an Ost- und Nordseite ausdehnt und so einen großen geschützten Bereich bildet.
Hecken schaffen Lebensraum, dämpfen Hitze und Kälte und bieten Windschutz. Jede Anpflanzung von Gehölzen sollte dabei gut durchdacht sein, denn sie kann der Saisonverlängerung entgegenwirken, wenn sie Beete beschattet.
Wer an einem warmen Sommerabend aus den Häuserschluchten einer Stadt nach draußen in die weite Landschaft wandert, merkt sehr deutlich, wie sich Gebäude und befestigte Strukturen auf die örtliche Temperatur auswirken. Dabei stellen Gebäude oft Herausforderungen an die Gärtnerin, da sie einen beträchtlichen Schattenwurf haben, was auf der Schattenseite eine angepasste Bepflanzung nötig macht. Daneben gilt es, das gesamte Gebäude in gärtnerischer Hinsicht optimal zu nutzen. Neben der Begrünung von Dächern können auch Wände meist gut genutzt werden. Ihre Farbgestaltung hat einen messbaren Einfluss auf die Wärmeentwicklung und Strahlungsmenge und damit auf das Pflanzenwachstum. Je dunkler die sonnenexponierte Wand, desto wärmer wird es. Die Pflanzen werden größer. Bei helleren Wandfarben wurde hingegen mehr Fruchtbildung festgestellt. Die Wahl der Baumaterialien beeinflusst Wärmeleitung und -speicherung, den möglichen Wassergehalt und die Verdunstung der Wände.
Jenseits von Gebäuden wirken Steine oder Mauern als Wärmespeicher, was sich in Hochbeeten oder Terrassen gezielt einsetzen lässt. Steine sind außerdem Tausammler und halten an ihrer Unterseite Feuchtigkeit fest.
Seit Jahrhunderten wird mit baulichen Maßnahmen versucht, das Klima für einige Pflanzen »tropischer« werden zu lassen, man denke etwa an die Orangerien in vielen Schlossgärten. Etwas kleiner geht es mit den verschiedenen Formen von Gewächshäusern, die die Luftfeuchtigkeit erhöhen, als Wärmespeicher sowie als Windschutz dienen und so den Anbau mancher Arten bei uns erst ermöglichen.
Je nach Bauweise wirken sich auch Beetformen unterschiedlich auf das Kleinklima aus. Hoch- und Hügelbeete können als Wärmespeicher dienen, auf nassen Böden schaffen sie trockenere Standorte und unterstützen den Bodenaufbau. Kraterbeete werden traditionell in windreichen Gebieten angelegt. Steine wirken auch hier als Wärmespeicher und Tausammler. Eine klassische Permakulturidee ist die Kräuterspirale. Diese gewundene Beetstruktur vereint Orte für verschiedenste Sonnen- und Feuchtigkeitsansprüche auf engem Raum.
Das in der Landschaft verfügbare Wasser wirkt sich auf das Mikroklima aus, in Gewässernähe ist dies meist deutlich zu spüren. Deshalb kann es sinnvoll sein, über einen Regenwasserteich oder, falls vorhanden, über das Fassen und Leiten von Quellen nachzudenken. Freilich ist die Neuanlage eines Teichs mit erheblichem Aufwand verbunden. Größere Wasserflächen bieten neben dem Wasserrückhalt in der Landschaft eine ständige Luftbefeuchtung, Spiegeleffekte und Temperaturdämpfung.
Ja, wir haben tatsächlich eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung, um klimagestaltend tätig zu sein! //