Die Frauen des Dorfs Jinwar in der selbstverwalteten Region im Nordosten Syriens suchen ihre Wurzeln in matriarchalen Kulturen aus allen Epochen.von Anja Marwege, erschienen in Ausgabe #61/2020
Auf vielen Fotos des Dorfs Jinwar sind bucklige, sich gleichende Lehmhäuschen zu sehen, die sich vor kargen Hügeln aneinander schmiegen. Andere Bilder zeigen schlammiges Wasser, das in frisch ausgehobenen, zwei Spaten breiten Kanälen fließt, um die Gärten Jinwars zu bewässern. Eine Handvoll Kinder hockt mit einer Erwachsenen am Rand eines dieser Kanäle. Sie formen mit den Händen einen kleinen Damm aus Steinen und feuchten, -roten Erdbrocken. Jinwar existiert erst seit 2018. Es ist ein internationales Frauendorf, in dem heute zwei Dutzend Kurdinnen, Araberinnen, Jesidinnen und Frauen aus anderen Kulturen sowie 15 Kinder leben; Männer kommen lediglich zu Besuch. Lara Mallien und ich lernen das Dorf nicht nur von Fotos, sondern auch durch ein langes Gespräch mit Nujin Derya kennen.
Die Region um Jinwar wird seit Jahrzehnten von Krieg bestimmt: die »Autonome Selbstverwaltung Nord- und Ost-Syrien«, bekannt unter dem Namen »Rojava«, wobei das Gebiet heute größer als die Region Rojava ist. In der Nähe sind immer wieder Detonatio-nen zu hören und zu sehen. Immer geht die Sorge um, dass auch das Dorf selbst angegriffen werden könnte. In dem geopolitischen Gemenge zwischen Syrien, dem Iran, der USA, der Türkei und Russland, die an der Region und ihren Rohstoffen zerren, frage niemand, was die Bevölkerung selbst wolle, kritisiert Nujin. Es sind von langer, starker Entrechtung und Gewalt gezeichnete Frauen, das friedliche Dorf Jinwar geschaffen haben.
Im Kriegsgebiet eine neue Heimat finden
Die 29-jährige Nujin ging vor vier Jahren aus Deutschland, wo sie aufgewachsen ist, in diese schwierige Region. »In Deutschland fehlte mir oft die Verbindung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kämpfen«, erzählt sie. Nujin sieht in praktischen Ansätzen wie Nachbarschaftshilfe, solidarischer Landwirtschaft, Kooperativen, Syndikaten, alternativen Bildungsprojekten, Besetzungen, Mehrgenerationen-Wohnprojekten, Mediationskollektiven, Widerständen gegen kapitalistische Großprojekte oder antifaschistischer Selbstverteidigung »eine Basis und einen riesigen Erfahrungsschatz sozialer Bewegungen.« Sie meint: »Dennoch schaffen wir es oft nicht, tiefgehend und nachhaltig genug an eine Sache heranzugehen. Es liegt an uns, dafür zu kämpfen, dass es nicht bei kurzen Aufständen und vereinzelten Projekten bleibt, sondern dass daraus beständige Alternativen entstehen.«
Über ihre Entscheidung, nach Nordostsyrien zu gehen, sagt sie: »Es hat mich beeindruckt, wie eine gesellschaftliche Bewegung, in der Frauenbefreiung eine so zentrale Rolle spielt, es schafft, inmitten eines Kriegs eine Revolution zu wagen: ein Prozess voller Hoffnung, voller Widersprüche und Gratwanderungen. Die amerikanische Schriftstellerin und Feministin Audre Lorde sagte: ›Ich bin nicht frei, solange noch eine einzige Frau unfrei ist, auch wenn sie ganz andere Fesseln trägt als ich.‹ Das gilt nicht nur für Frauen, sondern für alle Geschlechter, für alle kolonisierten und unterdrückten Gesellschaften und Schichten. Die lokalen Kämpfe hier und die Suche nach Alternativen in anderen Teilen der Welt lassen sich nicht voneinander trennen. Die Krise ist global, unsere Kämpfe sind global, vielfältig und im Lokalen verwurzelt. Hierher zu kommen, war für mich stark mit dem Wunsch verbunden, in die Praxis zu gehen.«
Lehmhäuser bauen und Bäume pflanzen
Anfangs arbeitete Nujin in Kunst- und Kulturvereinen in verschiedenen Städten und Dörfern, bis sie nach Jinwar ging. Mitten im Dorf liegt die Gemeinschaftsküche. Das gemeinsame Essen ist für das Dorfleben wesentlich. »Rituale fordern uns heraus, uns selbst und das, was wir tun, ernstzunehmen«, lautet eine Erkenntnis der Bewohnerinnen. Zwei Frauen übernehmen für je einen Monat die Verantwortung für das Kochen. Gekocht wird hauptsächlich das, was im gemeinschaftlich gepflegten Garten wächst. Die Kinder sind fast überall dabei. Nujin, selbst bislang kinderlos, erzählt, wie sie mit den Kindern Betten gebaut oder mit ihnen im Garten gearbeitet hat. »Die Frauen hier im Dorf sind die Mütter aller Kinder«, sagt sie. »Alle Kinder spielen miteinander, und wenn sie etwas brauchen, wenden sie sich an die Nächstbeste in ihrer Nähe. Sie sind überall geborgen.«
Zur Erntezeit machen die Frauen das Gemüse von den Feldern und aus dem Garten gemeinsam haltbar, teils für das Dorf, teils für den Verkauf auf dem Markt. Die Einnahmen fließen in die gemeinsame Dorfkasse. Jede Frau bekommt daraus einen Anteil. So wie in Jinwar gibt es in der ganzen autonomen Region zahlreiche Beispiele für kollektive Projekte. Der Aufbau von dörflichen Kooperativen, die ein gemeinsames Bewirtschaften von Land und Boden sowie eine gemeinschaftliche Produktion ermöglichen, bilden einen Pfeiler der selbstverwalteten, demokratischen Gesellschaft der Region. Seit 2012 wurden mehrere Hundert Genossenschaften gegründet. Drei Viertel der industriellen Betriebe der Region sind in Selbstverwaltung, ein Drittel wird von Arbeiterräten verwaltet. In der Autonomen Selbstverwaltung werden keine Steuern erhoben; die Verwaltung finanziert sich durch Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl und anderen Ressourcen.
Immer wieder gibt es aber auch Angriffe, die gezielt gegen die Versuche, die Ökonomie kommunal zu organisieren, gerichtet sind, erzählt Nujin: »Die Region ist seit Jahren mit einem Embargo belegt. Viele wichtige Materialien können nicht hierher gebracht werden. Dazu kommt, dass internationale NGOs mehr Lohn bieten als lokale Kooperativen. Das alles untergräbt die regionale Ökonomie.«
Das Dorf ist Gemeinschaftsland
Als das Land früher dem syrischen Staat gehörte, ließ dieser dort Weizen in Reinkultur anbauen, viele Flächen lagen brach. Davor gab es ein System von Großgrundbesitzern, die in den Dörfern das Sagen hatten. Mit den letzten revolutionären Umwälzungen gingen die Flächen der industriellen Landwirtschaft an die Selbstverwaltung durch die Bevölkerung über. In Jinwar gehört das Land offiziell dem Dorfrat. Bevor das Dorf errichtet wurde, haben die Frauen des Aufbaukomitees eine Art Gesellschaftsvertrag verfasst, in dem wichtige Grundlagen des Zusammenlebens niedergelegt sind. Einmal im Jahr wird der Gesellschaftsvertrag von der Dorfversammlung neu diskutiert. Darin steht beispielsweise, dass das Land und die Häuser Jinwars gemeinschaftliches Eigen-tum sind; das heißt, Land oder Häuser können nicht verkauft oder für Geld vermietet werden.
Seit den Kommunalwahlen im Jahr 2017 – den ersten seit der Ausrufung des multiethnischen Autonomiegebiets – gibt es dort ein Rätesystem. Das Herz bilden die lokalen Gemeinde- und Stadträte; sie halten ihre Belange selbst in der Hand. Vorbilder sind etwa die Nachbarschaftsräte der bolivianischen Stadt El Alto und die zapatistischen Caracoles in Mexiko, die als »Zentren der guten Regierung« gelten.
Das System ist zwar aus gemischtgeschlechtlichen Räten aufgebaut, doch es gibt immer auch einen autonomen Frauenrat. Bevor der Gemeinderat eine Entscheidung fällt, beraten zunächst die Frauen unter sich über das Anliegen, etwa über den Bau einer Straße, die Müllbeseitigung oder die Bepflanzung der Felder. »Das ist ein wichtiges Prinzip in allen Strukturen der Selbstverwaltung, damit sichergestellt ist, dass die Frauen in den gemischten Strukturen immer eine Stimme haben«, sagt Nujin. Zudem gibt es das Prinzip des Co-Vorsitzes, das heißt, dass immer eine Frau und ein Mann sich die Verantwortung teilen. Diese Frauenräte gehen aus der kurdischen Frauenbewegung hervor, die seit Jahrzehnten existiert und die Selbstverwaltung ins gesellschaftliche Zentrum gerückt hat. Mittlerweile organisieren sich in der gesamten Region der Autonomen Selbstverwaltung Frauen verschiedenster Hintergründe gemeinsam: Kurdinnen, Araberinnen, Assyrerinnen, Armenierinnen, Turkmeninnen, Tscherkessinnen.
In Jinwar gibt es selbstverständlich nur Frauenräte. Alle zwei Wochen findet eine kleine Dorfversammlung für alle Bewohnerinnen zur Reflexion des Dorflebens und für den Austausch statt. Monatlich gibt es außerdem eine große Dorfversammlung; in diesem Gremium werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen. Vorbereitet werden diese in Komitees, die für verschiedene Bereiche verantwortlich sind, wie die Dorfökonomie, Landwirtschaft und Garten, das Gesundheitszentrum, die Dorfschule und die Akademie des Dorfs. In der Arbeitsgruppe zur Landwirtschaft etwa wird zur Frage, wieviel Weizen angebaut werden soll, eine Entscheidung vorbereitet. »Die Frauen werten die Erfahrungen aus, kalkulieren den Bedarf, sprechen mit Bauern und Familien im Umfeld und stellen die Ergebnisse dann in der Versammlung vor: ›Wenn wir diese Menge Weizen anbauen, reicht es für unseren Bedarf an Bulgur und Brot, und wir können noch einen Teil auf dem Markt verkaufen‹«, erklärt Nujin. In der Dorfversammlung werden dann alle Einwände und Vorschläge dazu gehört. Je nachdem, worum es geht, finden auch Abstimmungen statt. Auf dieser Grundlage fällt dann nicht etwa der Dorfrat, sondern das Landwirtschafts-Komitee eine Entscheidung. »Aus der Lebensrealität heraus wird beschlossen, was zu tun ist. Diese Entscheidungsstruktur ist erfahrungsgemäß sinnvoll, weil sie alles im Dorf miteinander verbindet«, beschreibt Nujin diese Art, sich zu beraten. Die Komitees setzen die Entscheidung in die Praxis um, sie werden aus sich heraus nichts tun, was der Versammlung entgegensteht.
Die Dorfversammlung bestimmt ihre Sprecherin, eine Position, die alle paar Monate von einer Frau zur nächsten rotiert. Jede kann dieses Amt übernehmen, um für den Austausch mit dem Gemeinde- und Stadtrat zu sorgen und etwa zur Regionalversammlung zu gehen, in der alle Frauenräte der Region organisiert sind. Gleichzeitig behält die Dorfsprecherin den Überblick über das Geschehen im Dorf.
Mit Widersprüchen leben
Die Frauen in Jinwar haben zum Teil selbst Gewalt erfahren, sich von ihren Partnern getrennt oder sie im Krieg verloren, manche haben gar nicht geheiratet, sondern suchen nach anderen Formen von Beziehungen. »Unsere Hintergründe sind verschieden, aber wir haben eine gemeinsame Perspektive: einen Ort zu schaffen, wo ein selbstverwaltetes Leben stattfinden kann – in Verbindung zur Frauenrevolution«, sagt Nujin.
Ein Teil der Arbeit besteht darin, ihre Kriegserlebnisse zu verarbeiten. Die Frauen finden ihre eigenen Wege, mit Krieg und Gewalt umzugehen. Nujin erklärt: »Selbstverteidigung spielt eine wichtige Rolle, dazu gehört auch die physische Verteidigung. Wenn auf einmal dein Dorf und das Haus deiner Familie vom Islamischen Staat angegriffen wird, kannst du ohne bewaffnete Selbstverteidigung nicht überleben. Die Frauen der YPJ (der kurdischen Frauenkampfverbände der Volksverteidigungseinheiten in Syrien; Anm. d. Red.) haben eine große Rolle bei der Verteidigung und Befreiung von Städten, Dörfern und Landstrichen von der Belagerung durch den IS gespielt. Die Selbstverteidigung richtet sich auch gegen die Angriffe durch den türkischen Staat und alliierte Gruppierungen, gegen Luftangriffe und Kriegsdrohnen, was aber mit den geringen technischen Mitteln, die den Verteidigungskräften hier zu Verfügung stehen, sehr schwierig ist.« Doch darauf beschränken sie sich nicht. »Die wichtigste Form der Selbstverteidigung findet in der Gesellschaft selbst statt. Der Krieg gegen das Projekt der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ost-Syrien wird eben nicht nur militärisch geführt, sondern vor allem psychologisch, ökonomisch und ideologisch. Wenn Menschen ein freies Bewusstsein entwickeln, sich bilden, sich organisieren, Alternativen aufbauen, Mechanismen zur Lösung von Konflikten entwickeln – und das ohne staatliches oder koloniales Monopol –, ist das die stärkste Selbstverteidigung.«
Der Aufbau Jinwars ist auch eine Spurensuche nach Gesellschaften, die sich nach matriarchalen, kommunalen Prinzipien organisieren. »Solche Spuren finden sich in jeder Region dieser Welt, bis zum heutigen Tag«, erklärt Nujin, die dazu am Andrea-Wolf-Institut der Jineolojî-Akademie forscht. Beispiele findet sie im Zoroastrismus, der Religion des Zarathustra, den Heiratspraktiken der tibetischen Gemeinschaft, den Familienbildern der Maori-Gemeinschaft in Neuseeland oder der Yoruba-Gesellschaft im Südwesten Nigerias. Die Frauen im selbstverwalteten Nordostsyrien haben ihre Strukturen nicht von heute auf morgen etabliert. Neben vielen dominanten, patriarchalen Männern gab es in der Region auch traditionell viele starke Frauen in den Familien. »Seit Jahrhunderten tragen Frauen die Verantwortung für die Ökonomie des Hauses, sie organisieren die Nachbarschaft, ziehen die Kinder auf, sorgen sich um Haus und Garten, besonders in den Dörfern«, erzählt Nujin. »Viele Frauen haben ein enormes Wissen in der Landwirtschaft, der Heilkunde, können Häuser aus Lehm bauen und Dinge reparieren.«
Seit die Frauenbefreiung zu einer Grundsäule der Revolution geworden ist, ist die Reflexion der Männerrollen wichtig für das Zusammenleben in der Region. In Seminaren, die beispielsweise vom Kongress der Frauenbewegung »Kongra Star« organisiert werden, stehen Fragen wie diese im Raum: Welche männlichen und welche weiblichen Rollen und Herangehensweisen gibt es, welche Persönlichkeitseigenschaften spielen eine Rolle? Nujin betont, wie wichtig es sei, etwa die vielen neuen Frauenrechte nicht mit Repression – also mit auf Macht und Angst beruhenden Methoden – durchzusetzen, sondern ein Verständnis in der Gesellschaft für diese Rechte zu schaffen. Dafür seien viele alltägliche Gespräche wichtig. Sie erzählt von einer Nachbarin, die als Dreizehnjährige gegen ihren Willen verheiratet wurde und im Haus ihres Mannes ohne jegliche Rechte arbeiten musste. Trotzdem sagte sie, dass sie es nicht schlimm finde, wenn heute noch junge Mädchen verheiratet würden. »Wir gingen mit ihr ins Gespräch, und sie begann das, was für sie üblich war, anzuzweifeln. Irgendwann fragte sie selbst, warum andere Frauen das gleiche fürchterliche Leben wie sie erfahren müssten.« //
Frauen und Revolution
Im Mai 2019 gründete Nujin zusammen mit anderen Frauen das »Andrea-Wolf-Institut«. Es ist Teil der »Jineolojî Akademie«, die an vielen Orten in Nordostsyrien Bildungsarbeit und Forschung organisiert. -Jineolojî ist aus der kurdischen Frauenbewegung entstanden und lässt sich als »Wissenschaft der Frauen, des Lebens und der Gesellschaft« übersetzen. Diese Wissenschaft gründet sich auf die feministischen Bewegungen in der ganzen Welt ebenso wie auf frühe archäologische Funde, wie etwa die Göttinnenfiguren der Sumerer und ihre mythologischen Überlieferungen, etwa über die Göttin Innana, als »Spuren der Werte matriarchaler Gesellschaften«. Bei diesen Werten »stand die Mutter im Zentrum des Lebens«, schreiben die Forscherinnen, um sie herum waren ihr Clan, der über die Blutsverwandtschaft hinausreichte, und ihr Volk. »Weil die Geschichte von männlichen Herrschern geschrieben wurde, ist die Realität dieser Gesellschaften und des Matriarchats niemals aufgezeichnet worden.« Sie betonen, dass aus Matriarchaten Erfindungen stammen, die Revolutionen ausgelöst hätten, wie die volle Entwicklung der Sprache, Siedlungsformen, landwirtschafte Techniken und Werkzeuge zum Kochen und Bauen oder die Schenkökonomie. Die Jineologinnen üben auch Staatskritik. Sie sagen: »Dass sich Staat und Macht aus der neolithischen Gesellschaft herausbildeten, war keine notwendige Entwicklung. Wir können uns Städte auch ohne Unterdrückung und Herrschaft vorstellen.« Es gehe nicht darum, »den Staat anzugreifen, sondern Alternativen und Gegenmacht aufzubauen, um die Kontrolle über unser Leben wiederzuerlangen und den Staat schließlich überflüssig zu machen«. Dabei hängen für sie Staat und Familie direkt zusammen; die Familie in ihrer jetzigen Form sei die Grundlage für die Fortsetzung patriarchaler Machtstrukturen. Über Jahrhunderte fortwährende Beurteilung, Bestrafung und Unterdrückung von Frauen hätte dazu geführt, dass Frauen in alltäglichen Handlungen oft mit Schuldgefühlen zu kämpfen haben. Das äußere sich in »Unsicherheit und mangelndem Vertrauen in andere Frauen und das Einholen der Zustimmung männlicher Autoritäten«.
In vielen Äußerungen etwa in Broschüren nimmt die Jineolojî explizit Bezug auf Abdullah Öcalan, den langjährig von der Türkei inhaftierten, ehemaligen Anführer und Mitgründer der PKK. Die PKK ist in Deutschland eine verbotene »terroristische Organisation«, die vom Verfassungsschutz überwacht wird, die YPG (der syrische Zweig der PKK) wurde hingegen von der BRD mit Bundeswehrwaffen und Wissen versorgt, um gegen den IS in Syrien zu kämpfen. Die Oya--Redaktion hält es unabhängig von diesen verworrenen Hintergründen für sinnvoll, von den frauenbewegten Ereignissen insbesondere in Jinwar zu berichten, und Jinwar wäre nicht denkbar ohne die von der YPG gesicherte Autonome Selbstverwaltung Nord- und Ost-Syrien. Jinwar beruft sich auf die Jineolojî, die in den Schriften Öcalans verankert ist. Uns ist es wichtig, den wiederkehrenden Bezug auf Abdullah Öcalan als eine einzelne männliche Person, die für Gewalttaten verantwortlich gemacht wird, genau zu beleuchten. Wie soll damit umgegangen werden, wenn friedliche Inseln mitten im Krieg entstehen, und wenn diese auf den Schutz von kriegführenden Menschen bauen? Ist gewaltfreier Widerstand in einer Region wie Nord- und Ostsyrien möglich? Werden die Kinder, die heute in Jinwar aufwachsen, in Zukunft zur Waffe greifen müssen? Wie könnten von einem friedlichen Ort wie Jinwar weitere, weiblich und inklusiv geprägte Friedensimpulse in die ganze Region ausgehen? //
Die Broschüre »Revolutionäre Bildung« des Andrea-Wolf-Instituts kann hier heruntergeladen werden: www.kurzelinks.de/jinwar