Commonie

Schwangerschaft und Geburt in Eigenregie

In Reaktion auf das Interview mit einer werdenden Hebamme in Oya Ausgabe 57 sowie auf das Porträt der Pionierin der natürlichen Geburt Ina May Gaskin in Oya Ausgabe 58 schickte Dagmar Frank uns den
folgenden Ermutigungs-Bericht.
von Dagmar Frank, erschienen in Ausgabe #61/2020
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© privat

Meine drei Kinder habe ich ohne Ärzte und Hebammen zur Welt gebracht. Ich war voller Vertrauen, dass mein Körper ganz genau wüsste, wie das geht. Ich hatte nie das Bedürfnis nach den üblichen Untersuchungen.

Auf meinem Weg habe ich immer deutlicher erkannt, wie sehr Frauen heute ihre Kraft genommen wird, wie sehr Frauen sich ihre Kraft nehmen lassen und wie sehr die kleinen Wesen schon am Anfang ihres Lebens geschwächt werden. Die vielen Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt, die vielen Kaiserschnitte sind vor allem der Angst geschuldet, die den Frauen gemacht wird und die sie sich machen lassen. Angst führt zu Anspannung, und damit ist ein Loslassen nur schwer möglich, so dass die Geburt ein schmerzvolles Erlebnis wird. Je ängstlicher und gründlicher abgesichert wird, desto mehr Unfälle passieren meiner Meinung nach.

Das kleine Wesen weiß selbst am besten, wann der richtige Zeitpunkt ist, um ans Licht der Welt zu kommen. Es drängt ganz von selbst heraus. Unser Körper weiß, wie er ihm die Tür öffnet. Pressen ist da ganz fehl am Platze, es geht nur um Öffnen, um Loslassen. Wenn wir uns den Wellen in uns überlassen, geschieht alles ganz von selbst. Unser Körper hat alle Weisheit, um sich dem Ans-Licht-Drängen des kleinen Wesens hinzugeben.

Das sage ich als eine Frau, die in ihrem Körper nicht zu Hause ist. Wie so viele Frauen bin ich zu sehr im Kopf, meine Gefühle denke ich zum größten Teil nur. Oft fühle ich mich von mir selbst abgeschnitten und zerteilt. Wenn mein Mann mich liebt, bemerke ich oft besonders schmerzlich, dass ich nur sehr reduziert fühle.

Es ist nur den Wenigsten bewusst, wie gefühllos wir alle gemacht wurden. Dennoch haben viele Frauen sich etwas bewahren können, wo sie heil sind. Ich kenne Frauen, die ihren Eisprung deutlich spüren und nie verhütet haben. (Ich selbst merke gar nichts davon). Ich kenne eine Frau, die den Moment der Empfängnis gefühlt hat als einen Lichtblitz, der in ihren Körper drang. (Ich merkte erst am Ausbleiben meiner Regel, dass ich schwanger war). Ich kenne Frauen, die das kleine Wesen während der Schwangerschaft deutlich wahrnahmen und mit ihm kommunizierten, und oftmals schon zu Beginn der Schwangerschaft den Namen erfuhren. (Ich spürte die Kindsbewegungen, aber eine wirkliche Verbindung zu meinen Kindern hatte ich immer erst nach der Geburt.) Ich selbst hatte das unumstößliche Vertrauen, dass mein Körper genau weiß, wie er gebären kann. Das alles sind Puzzleteile, die uns ahnen lassen, wie viel mehr Frauen eigentlich empfinden könnten, wie es wäre, wenn wir ganz bei uns und in unserem Körper wären. 

Während meiner ersten Schwangerschaft fühlte ich mich rundum wohl und machte mir nur wenig Gedanken über die Geburt. Das einzige, was ich las, war »Unassisted Childbirth« (in etwa: »Gebären ohne fremde Hilfe«) von Laura Kaplan Shanley, einer Frau, die ihre vier Kinder allein zur Welt gebracht hat. Eines davon kam sogar mit den Füßen zuerst. Dieses Buch bestärkte mich sehr in meinem Gefühl, dass mit meiner Schwangerschaft und der Geburt alles gut gehen würde. (Mir war das Buch allerdings teilweise zu esoterisch.)

Die Risiken werden allgemein übertrieben dargestellt

Im Nachhinein wurde mir klar, wie gut es war, dass ich kaum etwas von all den angeblichen Risiken und Problemen wusste, bei denen normalerweise sofort eingegriffen wird. Bei meinen ersten beiden Geburten dauerte es vier Stunden, bis die Plazenta sich löste. Später erfuhren wir, dass die Mutter meines Mannes, die im Krankenhaus arbeitet, deshalb in heller Panik war. Sie hatte zwei Stunden nach der Geburt angerufen und war angesichts der Nachricht, dass die Nachgeburt noch in mir war, furchtbar beunruhigt. Zum Glück sagte sie nichts davon, weil sie uns nicht verunsichern wollte. Bei meiner dritten Geburt dauerte es sogar achteinhalb Stunden, bis die Nachgeburt kam. Wie auch schon bei den ersten beiden Geburten löste sie sich ganz leicht. Nach gängiger Lehrmeinung müsste die Plazenta spätestens nach einer halben Stunde aus dem Körper sein, erzählte die Mutter meines Mannes uns später, ansonsten wird den Frauen im Krankenhaus ein Mittel verabreicht, das zur Ablösung führt. Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen und sie sagte bestürzt: »Ich wünschte, ich könnte all das Lehrbuchwissen wieder vergessen! Jetzt wird mir klar, warum so viele Frauen sagen, wie froh sie seien, dass sie ihr Kind im Krankenhaus entbunden hätten, weil sie nach der Geburt heftige Blutungen gehabt hätten. Diese Blutungen kommen daher, dass die Ablösung der Plazenta künstlich beschleunigt wird. So wird sie regelrecht von der Gebärmutterwand abgerissen!«

Bei meiner dritten Geburt war ein Knoten in der Nabelschnur, und sie war um den Hals meines Sohns gewickelt. Alles verlief dennoch völlig problemlos. Im Krankenhaus hätte man mir sehr wahrscheinlich einen Kaiserschnitt verpasst. 

Geburt ist als ein rauschendes Fest gemeint, als eine ekstatische und beglückende Erfahrung! Das Anschließen der Mütter an all die Apparate und die unzähligen Eingriffe sind in vielen Fällen nicht nur zutiefst entwürdigend, sie schwächen auch Selbstvertrauen und Körpergefühl von Mutter und Kind. Ich habe viele Frauen kennengelernt, die noch Jahre später unter ihren traumatischen Geburtserfahrungen litten.

Vor einiger Zeit wurde ich in der Bibliothek Zeugin eines Gesprächs dreier etwa zwölfjähriger Mädchen, die sich darüber austauschten, ob sie einmal Kinder haben wollten. Eine sagte, dass sie auf jeden Fall einen Kaiserschnitt machen lassen würde, weil eine Geburt schrecklich anstrengend wäre und furchtbar weh täte. Die beiden anderen stimmten ihr zu. Ich war erschüttert, wie stark das Gedankengift schon in den Köpfen so junger Mädchen wirkt, und erzählte ihnen von meinen Geburten.

Ich kenne viele Frauen, die mit einer Hebamme an ihrer Seite wunderschöne Hausgeburten erlebt haben. Für die freiberuflichen Hebammen hat sich in den letzten Jahren leider viel verändert. Ganz schleichend werden ihnen immer mehr Steine in den Weg gelegt – so sind zum Beispiel die Versicherungsprämien für ihre Berufshaftpflicht ins Unbezahlbare gestiegen. -Unzählige Geburtshelferinnen haben ihren Beruf aufgegeben, und es ist schwierig geworden, eine Hebamme für eine Hausgeburt zu finden. Unter dem zunehmenden Versicherungsdruck sehen sie sich auch eher gezwungen, eine Mutter doch ins Krankenhaus zu überweisen, wenn nicht alles ganz reibungslos verläuft.

»In Eigenregie« bedeutet nicht unbedingt »ganz alleine«

Ich selbst hätte mir eine langjährig vertraute Freundin und erfahrene Mutter an meiner Seite gewünscht. Bei meinen ersten beiden Geburten war mein Mann mir am nächsten und schlüpfte sehr einfühlsam in die Frauenrolle. Er massierte mir bei den Wehen den Rücken, war als verlässlicher Anker voll und ganz da und fing unsere Töchter in seinen Händen auf.

Einige Jahre später hatte ich dann bei der Geburt meines Sohns das Glück, neben meinem Mann und meinen beiden Töchtern (sie waren inzwischen acht und zehn Jahre alt) auch noch eine Frau um mich zu haben. Sie hatte noch keine Erfahrungen mit Geburten gemacht, aber sie brachte das Wichtigste mit: ein feines Gespür für das, was gerade gebraucht wurde. Ich hockte in der warmen Morgensonne auf unserer Gartenwiese, und sie streichelte und massierte meinen Rücken. Zuvor hatte sie sich um meine ältere Tochter gekümmert, der die Geburt zu nahe ging und die lieber in einiger Entfernung dabei war. Meine jüngste Tochter war die ganze Zeit neben mir und verfolgte gebannt alles, was passierte. 

Die Wehen waren kaum schmerzhaft und die Abstände von Anfang an kurz. Ich fühlte mich verrückt und lebendig, musste gleichzeitig weinen und lauthals lachen – und da konnte ich auch schon das kleine Köpfchen in meiner Scheide ertasten! Welch unbändige Freude durchströmte mich! Kurz darauf war das Köpfchen da und meine Familie konnte das kleine Gesichtchen sehen. Mein Mann empfing unser Kind in seinen Händen und rief beglückt: »Es ist ein Junge!« Wir alle waren selig! Den ganzen Tag verbrachten wir noch in Festtagsstimmung auf unserer sonnigen Gartenwiese. 

Am nächsten Morgen erwachte ich voller Kraft und unbändigem Tatendrang. Ich band meinen nackten Sohn vor meiner Brust liegend in ein Tragetuch und lief weit in den Wald hinein zu meinem Lieblingsplatz in einem verwunschenen Kesselmoor. Ich war voll innerem Jubel: Ich habe einen Sohn! Der ganze Wald war Zeuge meines Glücks. Ich hatte nicht die geringsten Schmerzen und fühlte mich frisch und zu neuem Leben erwacht. //

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