Louise und Percy Schmeisers Kampf für eine andere Agrarkultur wurde mit dem alternativen Nobelpreis gewürdigt.von Geseko von Lüpke, erschienen in Ausgabe #61/2020
Seine Farm in den weiten Ebenen Kanadas ist nicht das, was man sich unter »öko« vorstellt. Alles ist riesig: die Felder voller Raps, die Getreidesilos, die Dreschmaschinen. Und der Mann selbst: groß in seiner Gradlinigkeit, seinem Mut, seiner Eloquenz, seiner liebenden Einfachkeit, seiner Wertschätzung für das Leben. Mythologisch gesehen, war Percy Schmeiser im 21. Jahrhundert der Mann mit der Zwille. Wie einst David, nahm er sie unerschrocken in die Hand und ließ nicht ab, bis der Goliath Monsanto vor aller Welt klein beigeben musste. Und so wurde ein konventionelles Farmerpaar zu den Heroen der Ökologiebewegung, zu Hoffnungsträgern dafür, dass einfache Bauersleute den schlimmsten Großkonzern besiegen können. Im Oktober 2020 ist Percy Schmeiser 89-jährig gestorben. Der Tod wird sich vor ihm, dem Verteidiger des Lebens, wohl verbeugt haben.
Die Geschichte von Louise und Percy Schmeiser ist schnell erzählt, ihr internationaler Kampf gegen gentechnische Kontrolle und Konzernwillkür aber ist komplex und vielschichtig. Zugleich ist ihr Leben so exemplarisch und symbolträchtig, dass Hollywood es demnächst als modernen Heldenmythos in die Kinos bringen wird. Percy Schmeiser, dessen Vorfahren einst aus Bayern über den großen Teich kamen, war zunächst kein Aktivist. Als konservativer Mann vom Land erledigte er seine schwere Arbeit, stellte sein eigenes Saatgut her, das immer besser wurde, setzte mit seiner Frau Louise fünf Kinder in die Welt, die ihnen fünfzehn Enkel bescherten. Und er hätte wohl so weitergemacht, wenn nicht der größte Saatgut- und Gen-Konzern Amerikas, Monsanto (2018 von Bayer übernommen), ihn »very, very angry« gemacht hätte. Passiert war folgendes: Ein Nachbar der Schmeisers hatte den genmanipulierten Raps von Monsanto angebaut. Als ein Herbststurm über die gelben Felder fegte, wurden die manipulierten Samen über das ganze Land geweht. Im kommenden Jahr wuchsen auf den bislang saatgutreinen Feldern der Schmeisers plötzlich auch Monsantopflanzen – ihre gute Saat war gen-verseucht und verloren. Doch statt sich bei dem ruinierten Farmerpaar zu entschuldigen, verklagte der Konzern sie wegen angeblich illegalen Anbaus mit Monsanto-Saatgut, forderte die Ernte und Entschädigung in Höhe Hunderttausender Dollar. Louise und Percy Schmeiser ließen sich nicht unterkriegen. »Der Konzern hat unser Land vergiftet, also ist er verantwortlich für den Schaden«, lautete ihre Position. Zehn schwere Jahre folgten, in denen Monsanto die Schmeisers fast in den Ruin trieb, sie bespitzelte, bedrohte und verunglimpfte – zehn Jahre, in denen Gerichte immer wieder gegen sie entschieden und die Welt total verkehrt erschien. Doch in dieser Zeit wurde die Geschichte der Schmeisers auch zum Mythos der Gegenwart. Auf Reisen in über 150 Länder mauserte sich Percy Schmeiser zum Pionier der Bewegung gegen Konzernwillkür und für eine landwirtschaftliche Wende. Betroffenen Landwirten rund um den Globus stärkte er den Rücken. In Bayern und Österreich jubelten ihm Menschen in Tracht zu, die ihre Heimat vor Gentechnik bewahren wollten. Und das Farmerpaar selbst vollzog die Wende vom Konservatismus zu den Vorkämpfern einer globalen Bewegung, für das es 2007 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Einmal sagten sie, sie hätten verstanden, dass sie nicht Kinder und Enkel in die Welt gesetzt hätten, um daran mitzuwirken, deren Zukunft zu zerstören; es sei nun endlich einmal dran, »der Erde etwas zurückzugeben«. Mit finanzieller Hilfe aus aller Welt gelang den Schmeisers der mühsame Gang durch die Instanzen, bis sie schließlich vor dem obersten Gerichtshof Kanadas auf allen Ebenen Recht bekamen. Der Konzern wurde verpflichtet, seinen Dreck wegzuräumen und die Schmeisers zu entschädigen. Vor ein paar Jahren sagte der moderne David am Ende eines Interviews: »Genug ist genug! Baut eine neue Kultur!« Das könnte Percy Schmeisers Vermächtnis an seine Nachfahren sein: das zu vollenden, was er so vorbildlich begann.
Der Film »Percy Schmeiser – David gegen Monsanto« von Bertram Verhaag ist bei www.denkmal.film erhältlich.