Ein Überblick über stickstoffbindende mehrjährige Pflanzen.
von Frank Hofmann, erschienen in Ausgabe #65/2021
Stickstoff ist neben Phosphor und Kalium einer der Hauptnährstoffe von Pflanzen. Er wird für den Aufbau von Eiweiß, Chlorophyll und der DNA benötigt. Ohne diese Grundzutat wächst praktisch keine Pflanze. Daher achten erfolgreiche Gärtnerinnen und Gärtner stets auf eine ausgewogene Versorgung des Bodens mit Stickstoff beispielsweise durch Gabe von Kompost, Hornspänen oder Pflanzenjauche. Aber all das ist mit zusätzlichem Aufwand und manchmal Kosten verbunden und kann auch leicht übertrieben werden, denn zuviel von diesem Nährstoff führt zu Überdüngung und damit oft zu Krankheits- oder Schädlingsanfälligkeit der Pflanzen.
Die Natur hat stattdessen eigene Strategien entwickelt, um die optimale Stickstoffversorgung sicherzustellen. Denn genau genommen sollte es auch ohne zusätzliche Düngung in unseren Breiten keinen Mangel an diesem Nährstoff geben – er ist schließlich praktisch überall vorhanden: Die Luft, welche uns umgibt, besteht zu circa 78 Prozent aus atmosphärischem (gasförmigem) Stickstoff.
Allerdings können Pflanzen diesen nicht direkt nutzen. Sie sind stattdessen auf chemisch gebundene Formen von Stickstoff, beispielsweise als Ammoniak oder Nitrat, angewiesen. Derzeit wird in der Landwirtschaft Stickstoff meist in der Form von industriell hergestellten Stickstoffdüngern zur Verfügung gestellt. Deren Herstellung erfordert einen hohen Energieaufwand, und die Ausbringung führt weltweit zu ökologischen Problemen durch Ausschwemmung, wie beispielsweise die Bildung von toten Meereszonen an Küsten zeigt. Die biotische Stickstofffixierung hingegen bietet eine natürliche Möglichkeit, ohne dauerhaften Aufwand die Pflanzen optimal mit Stickstoff zu versorgen.
Die Mikroben bringen’s
In der Natur erfolgt die biotische Bindung des atmosphärischen Stickstoffs mit der Hilfe von Mikroorganismen. Es wird dabei unterschieden zwischen frei im Boden lebenden Mikroben und symbiotischen Mikroorganismen. Erstere haben so klangvolle Namen wie Azotobacter, Azomonas, Beijerinckia, Saccharolytische Clostridien oder Cyanobakterien. Letztere sind in der Regel auf die Anwesenheit von bestimmten Pflanzen angewiesen, mit welchen sie in Beziehung treten; die Meistbekannten unter ihnen sind die an Schmetterlingsblütlern lebenden Knöllchenbakterien, die Rhizobien. Frankia braucht die Gesellschaft von verholzenden Pflanzen wie beispielsweise Erlen, und Bradyrhizobium lebt in Gemeinschaft mit Sojabohnen. Sind diese Pflanzen nicht vorhanden, dann können die symbiotischen Mikroorganismen meist nicht existieren.
Als Ausgleich für die Versorgung mit Stickstoff erhalten die Bakterien von den Pflanzen Kohlenhydrate in Form von Zucker, den die Pflanze durch Photosynthese bildet und in ihre Wurzeln leitet. Diese Stickstoffbindung entbindet die Landwirtin oder den Gärtner zwar nicht von der Notwendigkeit, andere Nährstoffe, wie Phosphor und Kalium, einzubringen, die durch Ernten erschöpft sein können. Sie stellt jedoch eine wertvolle biologische Quelle für diesen essenziellen Dünger dar.
Der chemische Ablauf der biologischen Stickstoffbindung ist ein komplizierter Prozess, dessen Beschreibung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Im Ergebnis wird atmosphärischer Stickstoff in eine pflanzenverfügbare Form umgewandelt, wodurch er zum Aufbau von Pflanzengewebe verwendet werden kann. Wenn dann im Herbst die Blätter fallen, Wurzeln absterben oder Blätter und Zweige zurückgeschnitten werden, wird der darin enthaltene Stickstoff wieder in den Boden abgegeben. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das organische Material an Ort und Stelle belassen und kompostiert wird. Auch wenn Blätter abgeschnitten werden, sterben einige der Wurzeln der stickstofffixierenden Pflanze ab. Dies trägt zu einer unterirdischen Düngung bei, denn die an den Wurzeln befindlichen Bakterien sterben mit den Wurzeln. Diese zusätzliche organische Substanz unterstützt die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens, bietet Nahrung für Würmer sowie Lebensraum für nützliche Insekten. Die Stickstoffbindungskapazität der Bakterien übersteigt oftmals den Bedarf der einzelnen Pflanze, mit welcher sie in Symbiose leben. Von all dem profitieren wiederum andere Pflanzen, die in der Umgebung der stickstoffbindenden Pflanzen wachsen und die keine eigenen Symbiosen mit derartigen Bakterien eingehen.
Den Knöllchenbakterien kommt aufgrund ihrer Verbreitung und Stickstoffbindungskapazität die quantitativ höchste Bedeutung zu. Die Rhizobien bilden eine Lebensgemeinschaft mit Pflanzen aus der Familie der Hülsenfrüchtler. Das sind zum einen ein- bis zweijährige oder ausdauernde krautige Pflanzen und zum anderen verholzende Pflanzen, wie Bäume, Sträucher und Klettergewächse. Die Rhizobium-Bakterien besiedeln das Wurzelsystem der Wirtspflanze, diese bildet Knötchen aus, in denen die Bakterien leben. Die Bakterien beginnen dann, den von der Pflanze benötigten Stickstoff zu binden. In landwirtschaftlichen Systemen werden als Zwischenfrüchte oder in Mischkultur beispielsweise Erbsen, Klee, Luzerne oder Wicken angebaut. So wird im Boden Stickstoff angereichert, der dann der Hauptfrucht zum Wachstum verhilft. Da kommen durchaus Mengen von rund 30 bis 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektar zusammen.
Weniger bekannt sind die stickstoffbindenden Eigenschaften von einigen Sträuchern, Bäumen, Stauden aber auch von einigen Kletterpflanzen, welche eine Symbiose mit Bakterien der Gattung Frankia eingehen. Diese Bakterien kommen auch ohne Symbiosen, also frei lebend, im Boden vor. Nur die Symbiose mit ihnen ermöglicht es den Pflanzen, auf stickstoffarmen Böden zu gedeihen. Die Höhe der Stickstofffixierung kann hierbei 240 bis 350 Kilogramm pro Hektar und Jahr betragen.
Gehölze – super wichtig
Gerade die Pflanzengruppen der Bäume und Sträucher spielen eine wichtige Rolle in Permakulturgärten, besonders da sie in mehrfacher Hinsicht von Nutzen sind. Nicht abschließend sind die folgenden Vorteile hervorzuheben: Gehölze sind dauerhaft, das heißt sie müssen nur einmal angepflanzt werden und wachsen viele Jahre und Jahrzehnte. Sie sind in den meisten Fällen laubabwerfend und sorgen durch ihren Blattabwurf im Herbst für Humusaufbau. Sie lockern den Boden durch ihr ausgedehntes Wurzelwerk, geben uns Früchte, Holz und Medizin. Gehölze spenden Schatten, können als Windschutz verwendet werden und bieten Lebensraum für Insekten.
Das ist alles in allem schon großartig – und wird noch besser, wenn die Bäume gleichzeitig den Boden, und damit andere Pflanzen, mit Stickstoff versorgen.
Der Wirkbereich von Gehölzen ist aufgrund der höheren Wurzelausdehnung naturgemäß weiter als bei einjährigen stickstoffbindenden Pflanzen oder bei Stauden. Das Stickstofffixierungspotenzial der einzelnen Pflanzen unterscheidet sich allerdings. So gibt es Pflanzen, die den Stickstoff in höherem Maße binden als andere Pflanzen. Die folgenden Beispiele für die Stickstoffbindungsfähigkeit wurden der digitalen »Plants Database« des US Department of Agriculture (USDA, amerikanische Landwirtschafts-Bundesbehörde) entnommen.
Beispiele von bei uns heimischen Gehölzen mit hohem Stickstoffbindungspotenzial sind Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Gewöhnlicher Besenginster (Cytisus scoparius). Auch die bisweilen als Zierstrauch gepflanzte Schmalblättrige Ölweide (Elaeagnus angustifolia) und die ebenfalls dekorative Borstige Robinie (Robinia hispida) gehören dazu.
Zu den heimischen Gehölzen mit mittlerem Stickstoffbindungspotenzial gehören die Grauerle (Alnus incana) im süddeutschen Raum und der Sanddorn (Hippophae rhamnoides), ebenso die Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudoacacia), die in Europa seit 400 Jahren als Parkbaum gepflanzt wird und zum Teil verwildert vorkommt.
Die passenden Pflanzen finden
Während meines ersten Permakulturdesign-Kurses vor vielen Jahren kamen wir kurz auf das Thema der stickstofffixierenden mehrjährigen Pflanzen zu sprechen. Damals waren jedoch nur wenige entsprechende Bäume, Sträucher, Stauden oder rankende Pflanzen bekannt, die winterhart sind und dadurch auch in den gemäßigten Klimazonen wachsen. Eine eigene Recherche auf der sehr zu empfehlenden Webseite »Plants For A Future« (pfaf.org) ergab jedoch mehr als einhundert Pflanzen, die diese Funktion übernehmen können. Ich habe diese in einer Tabelle zusammengestellt, ins Deutsche übersetzt und soweit aufbereitet, dass eine grobe Orientierung dahingehend vermittelt wird, ob eine Pflanze für das eigene System in Frage kommt. Diese Tabelle stelle ich gern in meinem Blog landmensch.net zur Verfügung. Für die Details sollten immer die genauen Informationen zu den einzelnen Pflanzen recherchiert werden.
Außerdem sollte immer auf die jeweilige Winterhärte geachtet werden. Die Pflanzen werden entsprechend ihrer Temperatur und Klimaanpassung den Winterhärtezonen des USDA zugeordnet. Das Flachland von Deutschland, Österreich und der Schweiz liegt in den Zonen 6 und 7, der Alpenraum in den Zonen 5 und 6, wobei die Hochalpen den Zonen 4 und 5 zuzuordnen sind. Vereinzelte Gebiete mit mildem Klima, wie das Rheinland oder die Küstenregionen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, können den Zonen 8a bis 9a zugeordnet werden. Mit einer Erwärmung des Klimas deutet sich eine umfangreiche Verschiebung der einzelnen Zonen an, insbesondere seit 2015 um teilweise mehr als eine Zone. Es sollte aber beachtet werden, dass Pflanzen, die erst ab der USDA-Zone 7 gedeihen, zwar leichte Fröste vertragen können, allerdings bei längeren Frostperioden oder tieferen Temperaturen geschützt werden müssen.
Unerlässlich ist hier auch ein Hinweis auf invasive Arten. Einige der aufgeführten Arten haben das Potenzial, sich ungebremst zu verbreiten. Das ist zwar nicht in jedem Umfeld und jeder Situation möglich, sollte jedoch vor ihrem Einsatz bedacht werden. Beispielhaft sei hier die Robinie genannt, die an manchen Straßen dekorativ als Alleebaum steht, andernorts, beispielsweise an Bahndämmen, aber wild wuchernd ein dorniges Dickicht bildet.
Bedacht werden sollte auch, dass viele der aufgeführten Pflanzen, wenn auch zum Teil schon länger als Zierpflanze erhältlich, ursprünglich nicht in Mitteleuropa heimisch sind. Die unkontrollierte Einbringung in ein natürliches Umfeld, zum Beispiel in einen Wald, ist daher genau zu prüfen. Der Einsatz in einer gärtnerischen Umgebung sollte allerdings kein Problem darstellen. //
Frank Hofmann (49) hat in den letzten zehn Jahren mehrere essbare Gärten gestaltet und bewirtschaftet. Er gibt sein Wissen in Kursen sowie in Beratungen an interessierte Menschen weiter und er betreibt den Blog landmensch.net. Seit Anfang 2021 nimmt er an der Weiterbildung Permakulturdesign teil. Frank freut sich über Hinweise zu weiteren mehrjährigen Pflanzen, die Stickstoff binden können und noch nicht in seiner Sammlung aufgeführt sind.