Im Detmolder Freilichtmuseum ist unter anderem die gelungene Entwicklung vom Förderprojekt zum dauerhaften Engagement zu bestaunen.von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #65/2021
Das Freilichtmuseum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Detmold rettet und sammelt seit Jahrzehnten traditionelle Gebäude und präsentiert sie entsprechend ihrer regionalen Herkunft und der althergebrachten Nutzung. In diesem Jahr feiert das Museum sein 50-jähriges Gründungsjubiläum. Auf einer Fläche von etwa 90 (!) Hektar finden sich Höfe aus dem Osnabrücker und dem Mindener Land, aus Lippe, dem Sieger- und dem Sauerland, dem Münsterland und dem Westlichen Hellweg sowie ein ganzes Dorfensemble aus der Region Paderborn. Dazwischen spaziert der Besucher durch eine Landschaft aus bewirtschafteten Ackerflächen, Baumpflanzungen, Streuobstwiesen mit alten Obstsorten und vorbei an Weideflächen für Nutztiere alter Rassen. Man hält hier vom Aussterben bedrohte Tierrassen wie das Senner Pferd oder Bentheimer Landschafe, um einen Beitrag zu ihrem Fortbestand zu leisten.
Zu den Höfen und Häusern gehörten – und gehören noch immer – Gärten, die für die Selbstversorgung mit Gemüse, Heilpflanzen oder Blumen genutzt wurden. Die einzelnen Bereiche des Museums sind, obwohl die Gebäude zum Teil deutlich älter sind, jeweils entsprechend ihrer Nutzung entweder um das Jahr 1800 oder um das Jahr 1900 aufgebaut und zur Besichtigung eingerichtet. Beim Besuch lässt sich die westfälische Alltagskultur dieser Zeiten nachempfinden. Auch die Gärten werden entsprechend der dargestellten Epoche und der überlieferten Nutzung bepflanzt und bewirtschaftet. So findet sich in einem Garten um 1800 typischerweise noch die Gartenmelde, wurde jedoch im Garten um 1900 schon durch den »moderneren« Spinat ersetzt.
Es lag nahe, diese großartige Kulisse auch für den Erhalt eben solcher alter Nutzpflanzen und alter Gemüsesorten zu entwickeln. Geboren wurde die Projektidee »Vielfalt ländlicher Gärten« bereits 2011, und nach der ersten Konzeptentwicklung suchten Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen über mehrere Jahre intensiv nach alten lokalen Sorten aus Gemüse- und Ziergarten. Mit dabei waren etwa ein engagierter Gartenfreund, der sich per Rad auf die Suche nach vielfältigen Gärten machte, ein Ingenieurbüro, welches über die Auswertung von Luftbildern alte Gärten – oft anhand ihrer ornamentalen Struktur aus Buchsbaumhecken – erkannte, und auch die Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit des Museums, die recherchierten, Besucher sowie Presse informierten und zur Sammlung aufriefen.
Gefunden und von Gärtnern ans Museum übergeben wurden im Laufe des Projekts 160 Gemüse- und Zierpflanzensorten. Eine der prominentesten Gemüsesorten war dabei der Johannislauch (Allium x. cornutum), der ähnlich dem Schnittlauch wächst, aber deutlich größere Zwiebelchen ausbildet. Traditionell wurde er in der Lippischen und Paderborner Region zu Johannis am 24. Juni geerntet und in einem ortstypischen Gericht mit Rosinen verkocht. Viele ältere Bewohner der Region erinnern sich noch daran, dass der Johannislauch alljährlich auf dem Tisch der Eltern stand.
Es ging bei dem Projekt nicht nur darum, die Pflanzen im Freilichtmuseum zu sammeln und zu vermehren. Ziel war vielmehr, ausfindig gemachte seltene, alte Sorten wieder an interessierte Gärtner abzugeben, um ihre Verbreitung zu fördern und so ihren Erhalt zu sichern. Dafür wurde ein Netzwerk aus rund 300 Pflanzenpatinnen und -paten aufgebaut, die sich in ihren Gärten jeweils dem Erhalt einzelner Sorten annehmen.
Bei bedrohten Schafrassen wie auch bei alten Gemüsesorten gilt: Erhalten wird, was gegessen wird. Vom hochstämmigen Grünkohl »Lippische Palme« wurden im Projektverlauf 14 Lokalsorten gefunden. Eine davon ist inzwischen vom Freilichtmuseum als Amateursorte beim Bundessortenamt angemeldet. Seitdem darf ihr Saatgut zum Beispiel im Museumsverkauf angeboten werden. Auch baut ein regionaler Landwirtschaftsbetrieb die Lippische Palme an und vermarktet sie in Gläsern eingekocht.
Personale Herausforderungen gemeistert
Gärten und Gelände werden heute von einem siebenköpfigen Gärtnerteam und drei Jugendlichen im Freiwilligen Ökologischen Jahr gepflegt, regelmäßig unterstützt von einem zehnköpfigen Team der Lebenshilfe. Im Zuge des Projekts schuf man eine Teilzeitstelle für eine Saatguttechnikerin, die es auch heute noch gibt. Letzteres ist keine Selbstverständlichkeit, da in ideellen Projekten die durch Fördergelder finanzierten Stellen nach Ende der Förderung meist wieder wegfallen. Das zunächst vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über drei Jahre geförderte Projekt wurde im Anschluss von der Umweltstiftung Detmold weitere zwei Jahre lang unterstützt. Dann stand die Frage im Raum: Was wird mit dem Sortenerhalt? Wird jemand dieses Thema in den zukünftigen Gartenjahren weiter im Blick und in den Händen haben? Zum Glück entschied die Museumsleitung weise, indem sie den Erhalt der Agrobiodiversität auch für die Zukunft zu einem wichtigen Teil der Arbeit vor Ort machte: Die Stelle der Saatguttechnikerin ist nun fest im Museum eingeplant, das Samenarchiv wird weiterhin gepflegt, die Pflanzenvermehrung bewusst gelenkt.
Auch in seinem Wirken jenseits der Gärten zeigt das Freilichtmuseum Detmold Einsatz für die Biodiversität. Als erstes Freilichtmuseum ist es Anfang des Jahres Mitglied der Globalen Koalition für Artenvielfalt der Europäischen Kommission geworden. Für sein Engagement für die Gartenvielfalt ist das Freilichtmuseum kürzlich als offizielles Projekt der UN-Dekade »Biologische Vielfalt« ausgezeichnet worden. //