Vandana Shiva präsentiert mit »Eine Erde für alle!« ein Buch der Hoffnung, auch wenn ihre glänzende Analyse des Status quo der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit sowie die Beschreibung der ökologischen Krise der Erde streckenweise den Mut zum entschiedenen Widerstand nehmen könnte. Wortgewaltig und detailliert führt sie die Verstrickung der wirtschaftlichen Konzerne vor, die ein Prozent der Menschheit repräsentieren und doch 99 Prozent des gesellschaftlichen Reichtums ihr eigen nennen.
Shiva nennt Namen, allen voran Bill Gates als reichster Mann der Welt (tatsächlich wurde er seit 2018, als das Buch auf Englisch erschien, von einigen überholt). Mit seiner Stiftung steht er beispielhaft für den Typus des philanthropischen Kapitalismus, ein Wirtschaftsmodell für Investitionen und ein politisches Modell zur Kontrolle, das wirkliche Demokratie unterhöhlt und kulturelle Vielfalt vernichtet: Mit Stiftungsgeldern werden Innovationen angestoßen und neue Märkte erschlossen. Nur ein Beispiel ist die Entwicklung gentechnisch veränderten Saatguts unter dem Vorwand, die wachsende Menschheit vor dem Hungertod zu retten. Das Gegenteil ist aber der Fall – so nahmen sich tausende indische Bauern das Leben, nachdem sie, falschen Versprechungen folgend, Saat kauften, in die ein Terminator-Gen eingebaut ist, so dass die Pflanze keine neuen Saaten produzieren kann.
Der treibende Motor des weltweiten wirtschaftlichen Konzerngeflechts ist die Gier nach Profit und in Folge davon die Akkumulation von gesellschaftlichem Reichtum in privater Hand. Gekoppelt mit der vereinfachten Logik eines mechanistischen Verstandes und einem linearen Fortschrittsglauben hat uns dieser Pfad an den Abgrund geführt, weil das fragile Gefüge einer lebendigen, sich selbst organisierenden Erde, in dem alles intelligent miteinander verwoben ist und von dem wir ein Teil sind, nicht verstanden wird.
Vandana Shiva setzt ihre Hoffnung in den wachsenden Widerstand der Menschen weltweit, die die Rechte der Erde verteidigen wollen. Sie selbst hat mit ihrer Organisation »Navdanya« unzählige, von indischen Bauern über Jahrtausende gezüchtete Saaten gerettet und nach Umweltkatastrophen im Rahmen des Programms »Saatgut der Hoffnung« wieder an die Landbevölkerung verteilt. Damit steht sie in der Tradition des gewaltlosen Widerstands von Gandhi, der eine reale Zivilisation der guten Lebensführung und einer Erddemokratie vertritt: eine neue Politik der Lokalisierung und der Selbstbestimmung, die in eine planetarische Freiheitsbewegung mündet.
Dieses Buch ist ein glühendes Plädoyer für das Einssein und das Aufstehen gegen Monokultur von Wirtschaft und Weltsicht.