Ende der 1970er Jahre wollten sich zahlreiche Männer und Frauen nicht mit dem herrschenden blinden Forscherglauben an den Segen der zivilen Atomkraft abfinden. Sie nutzten ihre akademischen Titel, um »Gegenwissenschaft« zu etablieren und sich mit ihrem Fachwissen in Gesellschaftskonflikte einzumischen. So entstanden in Deutschland die ersten unabhängigen Öko-Institute, die inzwischen im »Ecological Research Network« zusammengeschlossen und in der Politikberatung gefragt sind. Die Ausgangsfrage von Jan Freihardts Buch »Draußen ist es anders« schließt an diese Pionierinnen an: Welche Rolle kann und sollte die Wissenschaft heute spielen, um den dringend nötigen »tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel« aktiv mitzugestalten? Keine Armut, kein Hunger, weniger Ungleichheit – diese und die 14 weiteren Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen würden die geballte Kraft von Wissenschaft und Politik erfordern, damit wir uns Lösungen zumindest annähern könnten.
Der Autor führt zunächst ins eher deprimierende Terrain zwischen überfüllten Hörsälen und Nobelpreisen. Geld fließt dort mehr denn je. Rund 100 Milliarden Euro werden in Deutschland pro Jahr für Forschung ausgegeben; 70 Prozent davon gehen in die private Wirtschaftsforschung. Bei den mit Steuergeldern geförderten Studien hat neben anderen die Weltraumforschung und -nutzung Prioriät vor Umweltforschung, für die nur eine Milliarde Euro vorgesehen ist.
Jan Freihardt ist Umweltaktivist und Politikwissenschaftler. Sein Buch richtet sich einerseits an die 420 000 Menschen, die in Deutschland in Wissenschaft und Forschung arbeiten. Die Botschaft an sie heißt, dass es »viel Freude und Kraft freisetzen kann«, die Uni-Büros und -Labore hin und wieder zu verlassen, um mit dem eigenen Wissen für das Gemeinwohl zu wirken. Das Buch dokumentiert eine Fülle von Projekten und Interviews von und mit Wissenschaftlerinnen, die inter-, multi- und transdisziplinär arbeiten, gern auch zusammen mit interessierten Bürgern. So entwickelt der »Science Shop Vechta« mit Partnerorten lokal angepasste Klimaschutzkonzepte, »UrbanUp« in Wuppertal erkundet sozial-ökologische Lösungen zur Stadtentwicklung, und die Schweizer »Ideenschmiede Reatch e.V.« betreibt Lobby-arbeit für Wissenschaftskommunikation.
Die zweite Botschaft richtet sich an alle. Wir sollten uns dringend darum kümmern, vorhandenes Wissen auch praktisch anzuwenden. »Fridays for future« macht es vor. Die Organisation fordert, Erkenntnisse aus der Klimawissenschaft als Leitlinie für das Handeln für die Welt von morgen anzusehen: »Unite behind the Science«, heißt ihr Appell, »vereinigt euch hinter der Wissenschaft!«
Draußen ist es anders
Auf neuen Wegen zu einer Wissenschaft für den Wandel.