»Wir brauchen einen neuen Ansatz, der die planetaren Grenzen akzeptiert und zugleich das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellt«, heißt es gleich auf der ersten Seite des »Ökohumanistischen Manifests«. Der Forstwissenschaftler Pierre L. Ibisch (siehe Interview auf Seite 44) und der Autor Jörg Sommer, der auch Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung ist, haben es gemeinsam verfasst, weil sie überzeugt sind, dass unser Denken »im wahrsten Sinne des Wortes geerdet« werden müsse.
Ihre zentrale These: »Das Naturwesen Mensch kann nur in und mit der Natur leben.« Durch uns erkenne sich die Evolution »quasi erstmals selbst«. Der schöne alte Ansatz des Humanismus müsse heute zum Ökohumanismus weiterentwickelt werden, weil der Mensch »mit beiden Beinen im globalen Ökosystem steht«. Menschlichkeit und Menschenfreundlichkeit seien Grundbedingungen für gutes Leben und gelingende Gesellschaften.
Heutzutage aber haben sich die Menschen »verwirtschaftet«: überall Krisen, viele davon chronisch. Diese interagieren, werden komplexer, unberechenbarer, immer schwerer zu lösen. Verschachtelte Systeme könnten aber nur wirtschaften, wenn sie das System höherer Ordnung plünderten, also die Natur. Das funktioniert, bis negative Rückkopplungen einsetzen, etwa die Klimakrise. Heute wiege die von Menschen erzeugte Masse auf Erden schon weit mehr als die Biomasse, »doch wir können uns nicht von Beton ernähren«. Deshalb bräuchten wir »ökobasierten Menschenschutz« und nicht »Naturschutz« – letzterer sei anthropozentrisch gedacht. Auch Wissen und Wissenschaft, so die Autoren, brächten uns nicht mehr weiter. Um 1900 habe das Wissen sich in 100 Jahren verdoppelt, heute im Tagesrhythmus. Das führe aber nicht zu mehr Moral oder Weisheit, sondern zu mehr Uneindeutigkeit, Unbestimmtheit, Unsicherheit: »Wir sind dabei, uns zu verwissen.«
Was wäre also der Ausweg? Die beste Institution, um Natur zu reparieren, sei die Natur selbst. Das erfolgreichste menschliche Handeln sei oft das Unterlassen. »Niemand pflanzt die richtigen Bäume am richtigen Standort besser als ein Wald.«
Das Buch endet mit zehn Thesen zum Ökohumanismus. Am interessantesten fand ich These vier: »Es gibt kein Eigentum.« Wir können natürlich Land kaufen, aber nicht die Regenwürmer. »Wir besitzen, plündern, verkaufen und zerstören Ökosysteme, die uns nicht gehören – und nennen das erfolgreiches Wirtschaften.« Schade, dass die Gedanken der Autoren dazu sich auf gerade mal dreieinhalb Seiten beschränken! Dennoch fand ich das Buch sehr anregend, denn es zeigt das Potenzial von ökosystemischem Denken auf. Der Kompass ist ganz einfach: Menschliches Handeln muss auf dem Primat der Ökologie basieren und gutes Leben für Menschen fördern. »So wird aus geerdetem Denken gutes Handeln.«