Bücher zur Agroforst-Permakulturvon Jochen Schilk, erschienen in Ausgabe #67/2022
Im vergangenen Jahr erschienen zwei neue Bücher zum Thema »Agroforst«, einem landwirtschaftlichen Ansatz, dessen Potenzial für Artenschutz, Klimakühlung und Ernährungssicherheit womöglich gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann (Oya 47, 51, 66). Beide Publikationen verfolgen das Ziel, die Leserinnen mit Informationen für die Praxis zu versorgen, und so war ich als Laie froh, auf diese Weise von zwei erfahrenen Praktikern lernen zu dürfen.
Noemi Stadler-Kaulichs Titel »Dynami-scher Agroforst« erschien mit Crowdfunding-Unterstützung bei oekom und verspricht im Untertitel »Fruchtbare[n] Boden, gesunde Umwelt, reiche Ernte«. Der spezifische Ansatz ist, wie die Autorin selber schreibt, weitgehend identisch mit dem, was der Schweizer Ernst Götsch unter dem Schlagwort »syntropische Landwirtschaft« in Südamerika verwirklicht (Oya 51) – mit dem Unterschied, dass Dynamischer Agroforst in tropenfernen Zonen keine dichten Wälder, sondern eher lichte, artenreiche Waldrandgärten zum Ziel hat. Im Kontrast zu dieser Methode steht der artenärmere Agroforst-Ansatz, bei dem Baumreihen auf dem Acker gepflanzt werden (»Alley cropping«).
Die Autorin definiert Dynamischen Agroforst als »ein Konsortium dicht stehender und hoch diverser Pflanzenarten, die, dem Vorbild der Natur folgend, in ihrer Gesamtheit ein produktives System ergeben, das seine Ressourcen überwiegend durch natürlich ablaufende Prozesse bewahrt, obwohl periodisch Ernteprodukte entzogen werden«. Weiter erklärt sie, dass die dichte Bepflanzung und der große Artenreichtum den Entwicklungsprozess in solchen Produktionssystem »dynamisieren«. Auch die Durchführung der Pflegearbeiten müsse »dynamisch« gestaltet werden, denn dieses »Produktionssystem ist einem kontinuierlichen Wandel unterworfen, den der Mensch beständig antizipieren muss, um proaktiv korrigierend einzugreifen, damit die Bedürfnisse der Nutzpflanzen nach Raum und Licht erfüllt werden«. So modellieren regelmäßig auszuführende Schnittmaßnahmen die Vegetation hinsichtlich einer guten Produktivität und führen dem Boden über das Mulchen notwendiges organisches Material zu, mit dem die Bodenfruchtbarkeit gefördert wird und erhalten bleibt.
Das Buch versorgt die Lesenden auch mit zum Teil grundlegendem Wissen, so zur Theorie der Kompostwirtschaft oder zum Mulchen. Die Kapitel zur Herstellung und zum Einsatz von Biokohle (»Terra Preta«), zur biologischen Funktionsweise von Begleitbäumen, zu ihren an die Umgebung abgegebenen Wurzelsymbionten (siehe Seite 86) oder zu anderen Ökosystemleistungen von Bäumen sind dagegen schon deutlich themenspezifischer. Weiter finden sich im Buch etwa Pflanzenlisten sowie verschiedene Beispiele von Pflanzdesigns für eher kleine Parzellen; die schönen Illu-strationen stammen von der Mutter der Autorin. An das Ende ihres Buchs hat Noemi Stadler-Kaulich biografische Informationen sowie die Beschreibung ihres agroforstlichen Versuchsgeländes in Bolivien gestellt. Ich empfehle, diese Seiten vorab zu lesen, weil man hier der Verfasserin gleich viel näher kommen kann – was die Lektüre der theoretischen Kapitel noch angenehmer machen dürfte.
Weil beim Dynamischen Agroforst artenreiche, naturnahe, multifunktionale, essbare Ökosysteme entstehen, kann wohl gesagt werden, dass es sich hier quasi um Permakultur par excellence handelt.
Überzeugt von dieser Herangehensweise ist auch Jonas Gampe, der Autor von »Letzter Ausweg: Permakultur. So krempeln wir unsere Landwirtschaft um und sichern unser Überleben«. Da in der heutigen ökologisch-ökonomisch-klimatischen Situation bekanntlich eine weitreichende Reform der gesamten Landwirtschaft vonnöten ist (Oya 66), versucht Gampe, den Ansatz auf größere Flächen auszudehnen – wobei er dann bei Varianten des bereits erwähnten Beackerns von Alleen (»Alley cropping«) landet, das die Nutzung vorhandener Maschinen integriert. Weil er als Planer hier bereits einige Erfahrungen sammeln konnte, weiß er, wovon er spricht. »Warum nur im Kleinen Gutes tun, wenn man die ganze Welt verändern kann?«, fragt er ganz zu Beginn seiner Ausführungen mit Blick auf das riesige Potenzial der globalen Landwirtschaft. Die Re-Strukturierung dieses Sektors mittels massiver Gehölzpflanzungen, so der Autor, könne zahlreiche ökologische, ökonomische und soziale Probleme lösen helfen. So würden die angedachten Veränderungen auf diesem Feld bereits ausreichen, nicht nur »den Klimawandel innerhalb kurzer Zeit komplett auszubremsen, sondern sie würden auch sämtliche Hungersnöte beheben, überall sauberes Trinkwasser bereitstellen und das menschengemachte Artensterben stoppen«. Permakultur sei also ein echter »Game-changer«.
Es ist interessant, dass Jonas Gampe seine Vision nicht etwa unter einem modischen Schlagwort wie »Agroforst-Revolution« laufen lässt, sondern diese Ehre lieber der Permakultur überlässt – wurde letztere bislang doch eher mit kleinflächigen Lösungen assoziiert. In seinem Buch finden sich tatsächlich auch Beispielplanungen für Hausgärten oder etwa eine Anleitung für die Pilzzucht auf der Fensterbank; doch nimmt ein großer Teil der Seiten die exemplarische Beplanung von großen Flächen ein. Detailliert werden dabei jeweils die zu erwartenden Investitionen (Zeit, Geld) sowie Erträge vorgerechnet. Angesichts von zuweilen recht gering angegebenem Pflegeaufwand bei zugleich verblüffend hohen Erntemengen gerät der Laie dabei mitunter ins Staunen.
Ob dieses reich mit Fotos und Zeichnungen ausgestattete Buch tatsächlich die größeren Landwirtinnen gewinnen kann, ist freilich schwer zu sagen. Auf jeden Fall aber stehen am Umstieg interessierten Flächenbesitzern mit den beiden vorliegenden Titeln nun hervorragende Grundlagenwerke zur Verfügung, die das Planen, Anlegen und Bewirtschaften enkeltauglicher Landwirtschaftsstrukturen anschaulich erklären. Es ist ein schöner Zufall, dass sich die beiden Bücher dabei wundersam ergänzen. //
Dynamischer Agroforst
Fruchtbarer Boden, gesunde Umwelt, reiche Ernte.
Noemi Stadler-Kaulich
oekom, 2021, 396 Seiten
ISBN 978-3962383206
29,00 Euro
Letzter Ausweg: Permakultur
So krempeln wir unsere Landwirtschaft um und sichern unser Überleben.