Permakultur

Randzone Stadtrand

Ein persönlicher Blick in David Holmgrens Buch »RetroSuburbia«.von Nesrin Caglak, erschienen in Ausgabe #68/2022
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Mit seinem wunderbaren, 2018 (bislang leider nur auf Englisch) erschienenen Buch »RetroSuburbia« richtet sich Permakulturpionier David Holmgren vor allem an ein lokales Publikum in Südaustralien, wo sich die meisten der beschriebenen Beispiele sowie Holmgrens Farm Melliodora befinden. Dennoch kann es auch für Menschen in Mitteleuropa eine Quelle der Inspiration und Hoffnung sein, ist das Buch doch Nachschlagewerk und Manifest in einem und präsentiert eine vielfältige und gut durchdachte Zukunftsvision für das Leben in enkeltauglichen Vorstädten. 

Für Holmgren sind die Vorstädte deshalb so interessant, weil er davon ausgeht, dass hier landwirtschaftliche Produktivität entstehen kann – ein Potenzial, das gefördert werden müsste. Im Gegensatz dazu steht die althergebrachte Strategie, lediglich die Verdichtung der Städte in den Fokus zu nehmen, um so das Bauen in die Fläche hinein zu verhindern. Dabei spricht Holmgren vor allem über die Vorstädte in Australien, die immens viel Fläche einnehmen. Genau diese könnte in Zukunft zur Produktion von Lebensmitteln verwendet werden und Städte in der Nähe mitversorgen.

Es geht also ganz konkret darum, unsere Siedlungen für eine Zukunft, die mit weniger Energie auskommen muss, vorzubereiten. Dabei geht David Holmgren von einer Zukunft aus, in der es weniger Zugang zu billiger Energie gibt, weil die Fördermengen von fossilen Brennstoffen rückläufig sind. Weiterhin geht er davon aus, dass aufgrund des Klimawandels und der allgemeinen Übernutzung von natürlichen Ressourcen lokale und weniger komplexe Lösungen für viele alltägliche Probleme nötig werden. 

Holmgrens Buch folgt dem Prinzip »Gestalte vom Muster zum Detail«. So wird im ersten Abschnitt zunächst das Konzept der resilienten Vorstädte genau erklärt, um dann in den nächsten Kapiteln konkret auf einzelne Bereiche angewandt zu werden. Die Vorstädte als Verbindungsglied zwischen Stadt und Land werden zum Zentrum einer lebendigen und produktiven Hauswirtschaft, die eher einer ländlichen Selbstversorgung ähnelt. In der Vorstadt profitiert diese von räumlich engen Verbindungen zur Nachbarschaft. 

In der enkeltauglichen Vorstadt werden die Häuser energetisch saniert, wobei ein großer Schwerpunkt auf die Verwendung von gebrauchten oder sehr langlebigen Materialien gelegt wird. Die Vorgärten sind ganz der Lebensmittelproduktion gewidmet; Garagen werden zu kleinen Werkstätten oder Ställen für Tiere umgewandelt. Holmgren betont immer wieder, dass es nicht darum gehe, alles alleine zu machen, sondern vieles gemeinsam zu tun. »Do it ourselves« anstelle von »do it yourself«! Demnach gibt es nach wie vor Menschen, die sich auf Gebiete spezialisieren, beispielsweise Fahrradmechaniker oder Imkerinnen; der Austausch findet jedoch lokal und oft auch im Tausch zu anderen Leistungen statt.

Die praxisbezogenen Themen sind vielfältig. Umfassend sind beispielsweise die Funktionen, die ein Gebäude erbringen muss, um einen resilienten Lebensstil zu ermöglichen: Da geht es etwa um Stromerzeugung, Abwasser, Raumnutzung und Lagerung von Lebensmitteln. Dem Thema Heizen wird ein besonderer Raum geben, wobei sich Holmgren für das Heizen mit Holz starkmacht. Auch wenn es ums Gärtnern geht, spürt man die vielen Jahre Erfahrung des Autors, der sich zunächst den Böden widmet. Hier wie an anderer Stelle wird deutlich, wie sehr sich die australischen Böden von den unseren unterscheiden. Die Haltung von Tieren wird mit extensiver und manch intensiver Anbaufläche kombiniert. 

Spannend ist das Beispiel von des Autors Lebensgefährtin Su und ihren Ziegen. Es zeigt, wie sich öffentliche Flächen eignen, um Win-Win-Situationen zu erzeugen. Die Ziegen weiden in Bereichen, wo sonst mit viel Mühe und lauten Maschinen Brombeeren oder Brennnesseln zurückgedrängt werden müssten. Diesen Service übernehmen Su und ihre Tiere kostenlos – und erweitern damit nicht nur ihre Weideflächen, sondern auch die Vielfalt der Nahrung für die Milchziegen. 

Das größte Potenzial der Veränderung erkennt Holmgren weder in der Nachbarschaft, noch in der Politik, sondern im ganz persönlichen Verhalten. Deshalb ist es ihm ein Anliegen, die Muster von Entscheidungen und Handlungen sichtbar zu machen. Die persönlichen Verhaltensmuster lassen sich in vielen Schichten beleuchten. Beispielhaft stellt Holmgren seine verschiedenen Rollen und die seiner Partnerin vor. Er übernimmt in Melliodora die Bereiche Bauen, Heizen und Garten. Su kümmert sich um die Ziegen, Bienen und Hühner und hat die Lagerung und Verarbeitung von Lebensmitteln im Blick.

David Holmgren zeigt sich in diesem Buch wiederum als besonnener Denker, der an die Vielfalt der Möglichkeiten glaubt und keine Scheu hat, auch Persönliches zu teilen.  


RetroSuburbia
The downshifter’s guide to a resilient future.
David Holmgren
Melliodora Publishing, 2018
592 Seiten
ISBN 978-0994392879
85,00 Australische Dollar

Bezug über retrosuburbia.com
PDF-Version gegen Spende!

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