Commonie

Oya im Wandel?

Vier Mitglieder des Oya-Hütekreises beschreiben, wie es ihnen mit den anstehenden Transformationen rund um die Zeitschrift geht.
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Oya als Printmedium erhalten!

Wenn Oya stattfindet, wenn Oya geschieht, dann ist Oya ein immerwährender lebendiger Prozess, dann ist Wandel konstitutiv für Oya. Nun hat sich dieser Wandel zuletzt offensichtlich beschleunigt, wurde zum Wandel auf eine offene Zukunft hin; es gibt kein feststehendes Konzept, es ist noch offen, wo das hinführen wird: die Suche nach einem Pfad im pfadlosen Land. Es ist wohl kaum zufällig, dass sich unsere Welt gerade in einer Vielfachkrise befindet; manche nennen es auch »Wendezeit«. Vielleicht ist es sogar der Beginn einer globalen Zeitenwende. In dieser Zeit versucht Oya, Wege aus der Gefahr aufzuzeigen, Hoffnung zu vermitteln  – nicht als bloßen Appell, sondern an konkreten Beispielen einer enkeltauglichen Zukunft, die jetzt schon beginnt. Manchen Menschen macht das Angst. Auch manche Oya-Leser möchten lieber, dass alles bleibt, wie es sich bewährt hat, und damit ein Stück Sicherheit vermittelt. Auch nicht zufällig fragte die letzte Oya-Ausgabe 70: »Was gibt Sicherheit?« und thematisierte Wege im noch pfadlosen Land. Auch ich hatte so meine Schwierigkeiten, mich auf neue Kommunikationsformen wie bei »Oya im Ohr« einzulassen, stehe ich doch in der Tradition verschriftlichter Informationen. So habe ich mir beim Hören der Podcasts das eine oder andere Mal dazu meine alten Oya-Hefte herausgesucht, einfach um manches noch einmal nachzulesen. 

In den Wandlungsprozess fühle ich mich gut eingebunden durch mein Engagement im Oya-Hütekreis und die Teilnahme am letzten Hoffest. Auch das sind mir unverzichtbare Teile von Oya – die mich öffnen für den anstehenden Wandlungsprozess. Ich bin gespannt, wie sich das Leben mit Oya entwickelt, in dem es dann mehr als nur eine Zeitschrift geben wird, die mir – fortan in größeren Abständen – ins Haus flattert. 

Dabei muss für mein Empfinden eine gedruckte Zeitung oder ein Reader mindestens zwei Mal im Jahr unbedingt als roter Faden erhalten bleiben. Gerade die aktuelle Ausgabe 70 hat mich sehr angesprochen und mich noch einmal in dieser Überzeugung bestärkt. Zu den Texten von Oya gehören auch die vielfältigen Bilder und Fotos, nicht zuletzt zur Dokumentation einer bestimmten inneren Haltung. Das ist oft mehr als nur Illustration. In einigen Oya-Beiträgen erkenne ich zudem den Beginn einer »universalen Geschwisterlichkeit«, die unsere Welt so dringend braucht. Dazu leistet Oya einen unverzichtbaren Beitrag – und dieser Kontext scheint mir so nur durch ein gestaltetes Printmedium vermittelbar zu sein. 

Volker Warmbt, Neudorf/Harz


Wie erfinden wir uns neu?

Nun also, bei Oya ist nichts mehr selbstverständlich. Ich bin unruhig, wie alle, aber das bin ich in diesen Zeiten sowieso. Als ich in den Neunzigerjahren »1984« von Georg Orwell gelesen habe, war ich verstört, weil die Wirklichkeit die Fiktion damals schon überholt hatte oder in absehbarer Zeit überholen würde. Spätestens seitdem spielt sich alles in einer Geschwindigkeit ab, in der ich nichts mehr deutlich wahrzunehmen vermag. Wir wandeln uns nicht, sondern wir werden gewandelt. Mein Leben lang habe ich mir etwas darauf eingebildet, eine Meinung zu haben. Jetzt aber habe ich zu den meisten Dingen keine Meinung mehr – weg, futsch. 

Bei den Oya-Treffen ist niemand, der sich gegen Veränderungen bei Oya stemmt. Ich denke, da sind wir uns im Hütekreis einig. Noch brennt bei Oya nichts an. Aber es wird sich zeigen, ob wir, die »Oyesen« wirklich »anders leben« und »anders denken«, wie es lange Zeit das Motto von Oya war. Wenn wir wollen, dass sich etwas ändert, müssen wir etwas tun, das wir noch nie getan haben – und noch nie gedacht haben. Ich weiß nicht, von wem dieses Zitat ist. Ein bisschen Wandel wird es nicht geben. Wir müssen in Kategorien denken, in die wir uns noch nie vorgewagt haben. Alle warten auf etwas Über-menschliches, also keine Petitessen. Nur in diesen Dimensionen wird sich ein epochaler Wandel abspielen. Dafür brauchen wir nicht (nur) unseren Verstand, sondern vor allem unser Herz. Es zu öffnen, ist gar nicht so leicht, das ist der Haken. Wer kann mit seinem Gefühls-Herzen denken?  

Das Glossar auf der Oya-online-Startseite ist schon vorhanden und wartet auf neue Wörter und eine neue Sprache für eine neue Welt – gewaltlose Kommunikation untereinander und über die Kulturen hinweg und mit den anderen Dimensionen, die uns immer näher auf den Pelz rücken. Letztens hörte ich jemand das Wort »helligen« benutzen, im Sinne von »aufklären, lehren, schlau machen«. Auf diese Weise lasse ich mich gerne behelligen. 

Die Zeiten des Wandelns, des gemächlichen Voranschreitens, sind vorbei. Wir sind zu langsam, die Menschheit ist zu langsam, es gibt zu viele Bremser, die dunkle Seite ist ja auch nicht blöd – im Gegenteil. Wir müssen springen, möglichst hoch und weit und schnell, damit wir danach wieder wandeln können in neuen Wandelgängen der Zeit und des Raums, im Einklang mit anderen Dimensionen, was wir uns bis jetzt nicht genehmigt haben. 

Ja, wie erfinden wir uns neu? Werden wir dann noch wir selbst sein?

Edelgard Stadler, Erzsébetpuszta, Ungarn


Ja, genau das ist jetzt nötig!

Die aktuelle Ausgabe 70 liegt nun schon länger auf dem Wohnzimmertisch, doch ich bin eine Weile nicht so richtig dazu gekommen, dort hineinzuschauen. Obwohl ich die letzten Ausgaben noch mit viel Berührtheit, Gewinn und Freude gelesen hatte, kostete es mich zunehmend Energie, mir vorzunehmen, in diesem Heft 70 zu blättern. Ich führte das hauptsächlich auf mein verändertes Tätigkeitsumfeld zurück: den Hof, die Kühe, das viele Draußensein und am Abend einfach nur noch schlafen zu wollen ... Und dann waren da immer noch so viele andere Sachen, die ich auch noch lesen wollte.

Heute, in der Nachmittagspause, nahm ich die Ausgabe 70 eher zufällig zur Hand – und schlug ganz am Anfang den Text »Oya im Wandel« auf. Der Text bewegte mich: Zunehmend merkte ich, wie eure Botschaft, euer Ringen mit einer Veränderung, die sich ankündigt und geboren werden will, zutiefst mit einem Lebensgefühl, das ich auch in mir schon seit längerer Zeit spüre, resonierte. Ich dachte nur: »Ja! Genau das braucht es jetzt, es fühlt sich so stimmig an! Das ist eine Zeitqualität, die jetzt eine wunderbare Kraft entwickeln kann.« Ich bin von Herzen dankbar und bewundere euren Mut, euch immer wieder ins Ungewisse des Nicht-Wissens zu wagen – dort, wo das Leben sich stets neu erfinden kann. Im Festhalten an einer bestimmten Form liegt der Tod, im Sich-öffnen für die Wandlungen das Leben in seinem vollen Potenzial. Oya ist dadurch für mich ein lebendiges, verbundenes Wesen, das in diesem Sinn viele von uns auf dem holprigen Weg in immer mehr Lebendigkeit und Sinnestiefe begleitet.

Liebe Leute vom Redaktionskreis, fühlt euch zutiefst unterstützt in diesem Schritt, den ich, wo immer möglich, auch praktisch mittragen will! Ich werde vermutlich ab März 2023, wenn ich meine Ausbildung im biologisch-dynamischen Landbau abgeschlossen haben werde, als Gärtner in eine Solawi hier bei uns im Dorf Wallernhausen einsteigen. Die Ausgabe der Früchte ist direkt am Hof – das hat Potenzial als Oya-Verteilstation, allerdings weiß ich nicht, wie viele Menschen bei uns Oya abonniert haben. Ansonsten hoffe ich auf baldige weitere Möglichkeiten für echte Oya-Treffen.

Stefan Sylla, Wallernhausen


Der Beziehungswohlstand wächst

Ich sitze an meinem Schreibtisch und erfreue mich an der Aufgabe zu schreiben. Nach einem ganzen Monat Krankheit mit heftiger Ohrenentzündung und anhaltenden Gleichgewichtsstörungen komme ich nur langsam wieder auf die Beine. Beim Schreiben muss ich den Kopf nicht viel bewegen, was es mir ermöglicht, etwas beizutragen und dadurch wieder mehr Kraft zu fühlen. 

Noch immer hallt in meinen derzeit geplagten Ohren die Aussage von [dem früheren Oya-Herausgeber] Johannes Heimrath nach, dass die »Kraft des Aufhörens« derzeit bedeutsamer sei als die Kraft der Vision. Dies verleitete mich im weiteren Spinnen von Gedankenfasern zu folgender Feststellung: Vor einigen Jahren schrieb ich ein Gedicht namens »Mut«; die letzten zwei Zeilen lauteten »Mut ist gut / Mut ist, wenn man tut«. Anschließend an das, was ich über Oya im Wandel gelesen habe, möchte ich den Ausspruch ergänzen um ein »Mut ist, wenn man lässt«. Ich empfinde dieses mutige Lassen, das hier als Synonym für Aufhören gelten kann, als ein Ent–lassen in Verantwortung: Ein Teil des Oya-Organismus (etwa die Redaktion oder der Rat) ent-lässt weitere Teile des Gesamtkollektivs (Hütende, Lesende) in die Verantwortung. So schließt sich der Kreis und aus einem Lassen wird wieder ein Tun. Für mich ergibt sich daraus eine stimmig zirkulierende Struktur. Mit jedem Schritt begreife auch ich mich selbst weniger als Konsumentin einer Zeitschrift, die ich mir einfach kaufe, durchlese und ins Regal stelle. Zugleich bin ich für Oya nicht bloß wegen meiner Kaufkraft oder der Nachfrage für das Produkt Zeitschrift interessant. Ich bin letztlich ein vollwertiger Teil des Organismus Oya. 

Das führt wiederum zu der Erkenntnis, dass sich unsere Beziehungen vielfältiger gestalten und immer lebendiger und verwobener werden, je weniger sich diese Beziehungen rein auf den anonymen Austausch von Geld beschränken. Somit tragen die neuen Gedanken in Bezug auf die Veränderung von Oya sicherlich zu einem Mehr an Beziehungswohlstand bei, der wiederum das Potenzial hat, neue, noch ungeahnte Ressourcen wachsen zu lassen. Der Schritt vom Sagen oder Schreiben hinein in eine praktische Umsetzung ist bekanntlich schwierig. Ich finde, dass die Gemeinschaft rund um Oya dabei ist, diesen Weg zu gehen, und freue mich auf das Kommende.

Mira Klepfer, Witzenhausen

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