Angesichts kollabierender Systeme reicht das Gemeinschaffen in kleinen Nischen nicht mehr aus, meint der italienische Commonsforscher Massimo De Angelis. Stattdessen sollten commonische Infrastrukturen, die quer zur kapitalistischen Verwertungslogik stehen, aufgebaut werden – nur wie?von Matthias Fersterer, Massimo De Angelis, erschienen in Ausgabe #80/2025
Matthias Fersterer Massimo,wann hast du begonnen, Commons zu erforschen?
Massimo De Angelis Das war Mitte oder Ende der 1990er Jahre. Damals wurde mir bewusst, dass die Commons auf die eine oder andere Weise schon immer Teil meines Lebens gewesen waren. Dabei erkannte ich, wie grundlegend die Einhegung der Allmende – oder »ursprüngliche Akkumulation«, wie Marx das nannte – für die Verbreitung kapitalistischer Strukturen ist. Ich erkannte auch, dass es Einhegungen nicht nur zu Beginn des Kapitalismus gab, wie manche marxistische Strömungen annehmen, sondern immerzu und überall. Allerdings gibt es regelrechte Einhegungswellen – insbesondere nach gesellschaftlichen Umbrüchen, in denen neue Formen von commonsbasiertem Miteinander aufgetreten waren. Die neoliberale Phase, die Ende der 1970er Jahren begann, ist ein Beispiel einer solchen Einhegungswelle, die auf die internationale Welle antikapitalistischer Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre folgte. Dabei wurde mir bewusst, dass nicht nur die Einhegungen zum Kapitalismus gehören, sondern auch die Commons: Es gibt sie nicht nur in der europäischen Geschichte oder in marginalisierten Kulturen, sie entstehen immerzu. Und wenn sie eine kritische Masse erreichen, wenn sie die Ausbreitung des Kapitalismus behindern und sich nicht innerhalb kapitalistischer Strukturen verwerten lassen, dann beginnt die Einhegung …