Titelthema

Wie man Scheiße zu Gold macht

von Jochen Schilk, Ralf Otterpohl, erschienen in Ausgabe #12/2012
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© Steffen Hidde

Ralf, du forschst an der Technischen Universität Hamburg-Harburg auch zur Frage, inwieweit heute vermeintliche Problem­abfälle wie Urin und Fäkalien für den Humusaufbau Verwendung finden könnten. Produzieren wir die Alternativen für Kunstdünger etwa tagtäglich im eigenen Körper?

Fast den gesamten Stickstoff, den der Mensch umsetzt, scheidet er als Urin aus, beim Phosphor ist es ungefähr die Hälfte. Auch andere Makronährstoffe für Pflanzen, wie Kalium, Schwefel, Kalzium oder Magnesium, sind in Böden oft knapp, während sie in unterschiedlichen Mengen in menschlichen Exkrementen zu finden sind. Fäkalien sind allerdings nicht Fäkalien. Ein gesunder Mensch, der sich gesund und vollwertig ernährt, hat die ganze Palette der hochwertigen Stoffe in seinem Kot, besonders dann, wenn er keine Pharmazeutika einnimmt. Wenn wir Fäkalien nutzen wollen, sollten wir also diejenigen von gesundheitsbewussten Menschen nehmen.

Ihr macht euch auch Gedanken, wie man ganze Städte und ihr Umland alternativ abwassertechnisch ent- und versorgen kann. Bedingt die Nutzung von Exkrementen also, dass sämtliche Einwohner Alternativen für ihren Pharmaka-Konsum finden müssen?

Der momentan zu beobachtende Bewusstseinswandel kann sehr schnell dazu führen, dass die Dinge, die für uns heute normal sind – wie das Einnehmen von Pillen – innerhalb weniger Jahre als absurd erscheinen.  Wir können bereits heute einsammeln, was sauber ist. Wir entwickeln ein flexibles Toilettensystem für den Einsatz in Stadt und Land.
Im Moment arbeiten wir an unserem ­Institut experimentell mit einfachen Campingtoiletten. Die betreiben wir nicht mit der dafür vorgesehenen Chemie, sondern mit der Mikrobenmischung zur milchsauren Vergärung des Terra-Preta-Pioniers Jürgen Reckin. Man könnte auch einfach Sauerkrautlake verwenden. Mit der richtigen Milchsäure-Bakterienmischung, über die wir derzeit forschen, kann man im Prinzip in jeder Wohnung, auch in der Stadt, Exkremente geruchsfrei und hygienisch einsammeln. Deshalb entwickeln wir eine alltagstaugliche Toilette, mit der das möglich sein wird. Wofür man noch eine Lösung finden müsste, ist der Transport ins Umland, weil in der Stadt üblicherweise ­wenig Platz für Kompostierung ist.

Es heißt immer, man solle Kompost aus menschlichen Ausscheidungen nicht zum Düngen von Nahrungspflanzen verwenden.

Etwa zehn Jahre sollte man warten, bis man auf einem Fäkalien-Kompost Lebensmittel anbaut. Die Stoffe aus den ­Fäkalien und dem Abwasser gehen in die Pflanzen, die sich unter anderem von Mi­kroorganismen ernähren. Unsere Forschungen und die Literatur sagen das gleiche: Die Pflanze nimmt Stoffe auf, die im Wasser gelöst sind, ebenso wie pathogene Keime, die sich in Blättern konzentrieren können, weil das Wasser verdunstet und diese Stoffe sich anreichern.
Zehn Jahre hört sich nach viel Zeit an, ist es aber im Grund nicht. Nach etwa zwei bis drei Monaten richtiger Wurmkompostierung im Sommer könnte man diesen Kompost in den Boden einbringen und dort zum Beispiel zunächst Holz für eine Brennholzplantage anpflanzen. In Haushalten fallen aber ohnehin viel größere Mengen an Küchenabfällen an, die Exkremente machen nur ein Drittel der Abfälle aus, und mit Gartengrünschnitt ist ihr Anteil noch niedriger.

Wie ist die Gesetzeslage in Deutschland zum Betrieb von Komposttoiletten?

Die Sache ist zweischneidig: Einerseits ist die Abfallverordnung mit dem Gebot zur Wiederverwertung sehr fortschrittlich. Im Abwasserbereich gelten diese Gesetze eigentlich auch, werden aber dort durch widersprüchliche Gesetze konterkariert. Vorgeschrieben ist, dass man eine Spültoi­lette hat, aber zugleich verbietet es kein Gesetz, eine Terra-Preta-Toilette danebenzustellen. Von daher ist alles möglich. Solange die Exkremente als Wertstoffe gesammelt werden, bewege ich mich innerhalb des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und bin also nach Abwassergesetzen gar nicht belangbar. Abwasser werden sie erst, wenn der Entsorgungswille da ist und sie in ein Abwassersystem eingebracht werden. In einigen Bundesländern gibt es allerdings extrem ­restriktive Gesetzgebungen zum Abwasser.  

Ist der Bedarf für Terra-Preta-Sanitation in anderen Weltgegenden größer?

Zwei Milliarden Menschen haben nur Gruben, und in vielen Gegenden gibt es zwar Spültoiletten, aber keinerlei Abwasseraufbereitung. Grundwasser wird so in einem unglaublichen Maß verseucht, Millionen Menschen sterben. Wer in solchen Ländern Komposttoiletten einführt, kann lebensrettend wirken. Die Entwicklung wird aber nur vorwärtsgehen, wenn wir diese Systeme vorantreiben. Mein Institut gehört zu weltweit sehr wenigen, die sich überhaupt mit dem Thema beschäftigen, denn es gibt kaum Forschungsgelder für Produkte, deren Export kaum Profit verspricht.
Bodenverbesserung ist aber auch bei uns extrem wichtig, und wir sollten besser sofort damit anfangen. Die globale Fremdversorgung kann sehr schnell in sich zusammenfallen. Sollten wir uns einmal von relativ wenig Land ernähren müssen, ist ­jedes Gramm Humus wichtig. 


Innovative Abwasserkonzepte
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