Alex Capistran, aktiv bei den »Visionaries in Action«, sprach mit der Unternehmensberaterin Astrid Schrader und dem Filmemacher Joshua Conens über die Quellen der Motivation und über selbstbestimmtes, wirksames Handeln junger Menschen.von Alex Capistran, Astrid Schrader, Joshua Conens, erschienen in Ausgabe #14/2012
Alex Capistran Heute wollen wir über Jugend-Engagement und auch über uns sprechen. Jugend ist für viele Menschen die Zeit, in der man ganz besonders das Leben genießt, auf Partys geht – wir haben Tätigkeiten, die uns voll ausfüllen, und ich studiere. Nebenher machen wir noch ehrenamtlich Projekte mit anderen jungen Leuten. Joshua, was machst du, und was motiviert dich dazu?
Joshua Conens Ich mache seit ein paar Jahren Filmprojekte. Daraus ist unter anderem ein neunzigminütiger Dokumentarfilm entstanden, »Berufswege«, in dem es um Berufsfindung geht. Wir haben darin drei Menschen mit ungewöhnlichen Wegen porträtiert. Gemeinsam mit anderen organisiere ich Vorführungen dieses Films, sowohl auf Tagungen als auch in Schulen oder in Kulturzentren. Gerade planen wir eine Tagung zum Thema »Berufswege«, die im Herbst im Ruhrgebiet stattfinden soll. Dazu wollen wir all die Leute, die uns auf unserer Film-Tour begegnet sind, noch einmal zusammenbringen. Mit jungen Leuten über die Berufsfindung ins Gespräch zu kommen, beschäftigt mich gerade sehr.
AC Astrid, womit verbringst du gerade deine Zeit?
Astrid Schrader Ich habe mir die Themen Weiterbildung, nonformale Bildung und Bildungspolitik auf die Fahne geschrieben. Zwei Schuljahre in England haben mir einen ersten Kulturschock beschert und mich auch zu einer Europäerin gemacht, und so habe ich danach im Europäischen Studierendenforum in verschiedenen Ländern Konferenzen über die sich verändernden Bildungssysteme organisiert. 2008 war ich Jugenddelegierte bei den Vereinten Nationen, was soviel heißt, dass mein Co-Jugenddelegierter und ich dafür verantwortlich waren, mit der Delegation des Auswärtigen Amts die UN-Resolutionen jugendfreundlicher zu machen. Inzwischen mache ich das, was ich als »Omi-Tätigkeit« bei den Jugendorganisationen bezeichne – viel Organisationsentwicklung und Trainings, auch in Ländern wie Rumänien, Bulgarien, zuletzt in Spanien. Themen sind da zum Beispiel: »Wie kann ich professioneller arbeiten? Wie kann ich meinen Impact nach außen darstellen? Was ist der Wandel, den ich wirklich sehen will?«
AC Ich bin in den letzten Monaten vor allem mit der Organisation der Konferenz »Visionaries in Action« beschäftigt. Diese Konferenz ist so gedacht, dass 200 Jugendliche mit Trägern des alternativen Nobelpreises und Friedensnobelpreises zusammenkommen und gemeinsam auf Augenhöhe an Themen der sozialen Verantwortung und Nachhaltigkeit arbeiten. Dabei sollen vor allem konkrete Projekte entstehen, in die einerseits der Geist der Jugend und ihre Visionen eingebracht werden und andererseits die Erfahrung, die Netzwerke und Kompetenzen der Älteren. Da bin ich sehr gespannt, aber auch skeptisch: Können Projekte, gerade solche, in denen Jugendliche involviert sind, wirklich etwas bewirken? Mein Motiv, mich dafür einzusetzen, würde ich »Rache« nennen. Humanistische Rache. Denn ich bin jetzt an der Schwelle zum Erwachsensein, vorher war ich als Kind nicht mündig, aber trotzdem hellhörig, habe viel aufgesogen zum Thema Ungerechtigkeiten, sei es im zwischenmenschlichen oder im globalen Maßstab. Erst jetzt, als Erwachsener, kann ich etwas bewirken. Es ist für mich eine große Zeit des Aufblühens und der inneren Erfüllung, weil es mir vorkommt, ungefähr 15 Jahre auf diese Zeit gewartet zu haben.
AS Ist ja interessant dass du sagst, du weißt nicht, ob Jugendliche etwas bewirken können. Ich habe den Eindruck, dass gerade Jugendliche unglaublich viel verändern können. Das ist der Hauptgrund, warum ich all das mache. Ich bin in verschiedenen Think Tanks, wie beispielsweise der Ashoka-Jugendinitiative. Da geht es unter anderem um Projekte, in denen Jugendliche ihre Stadt verändern, wobei Ashoka moderiert, aber auch dass Jugendliche bei der Entwicklung einer Jugend-Corporate-Social-Responsibility-Strategie für einen internationalen Mobilfunkdienstleister mitarbeiten. Wenn man sich engagiert und das eine erste Wirkung zeigt, wird viel weitere Motivation – ein Feuer in den Menschen – ausgelöst. Was hat dich denn in den 15 Jahren davon abgehalten?
AC Das ist einerseits eine rechtliche Frage, andererseits eine Kompetenzfrage. Ich hatte nicht die Möglichkeiten, wirklich ein Projekt auf die Beine zu stellen, wofür die Unterstützung durch Erwachsene nötig gewesen wäre: Felix Finkbeiner hat zwar mit neun Jahren sein Baumpflanzungsprojekt initiiert, aber das wäre nicht möglich gewesen ohne Hilfe der Erwachsenenwelt. Zweitens gab es eine gewisse Skepsis und Zurückhaltung, weil ich dachte, dass es vielleicht noch zu früh sei und ich erst einmal die Welt verstehen und die Mechanismen durchschauen sollte.
JC Alle möchten eine gewisse Wirksamkeit erreichen. Da kann man sich meiner Meinung nach schnell vertun, indem eine Wirksamkeit erzielt wird, die sich medial gut aufbereiten lässt, die letztlich aber keine Nachhaltigkeit hat. Wenn man selbst sein Leben verändert, hat das eine riesige Wirksamkeit. Denn man hat ja per definitionem als Mensch eine Wirksamkeit. So hat das zumindest bei mir angefangen, dass ich gesagt habe: Jetzt muss ich mein eigenes Leben so leben, wie ich das richtig finde. Dadurch entwickelt sich automatisch Wirksamkeit, wenn ich mich nicht irgendwo in der Wüste verstecke.
AC Das eigene Leben ist natürlich der Punkt, an dem man ansetzen muss, anders geht es ja gar nicht. Was ist aber mit den gesellschaftlichen Strukturen?
AS Ehrenamt hat diese zwei Wirkungen: Du veränderst vielleicht gesellschaftliche Strukturen, du veränderst aber auch etwas in dir und den Leuten selbst. Und ich glaube eben, gerade das ist der langfristige Effekt. Du erlebst, dass du nicht mehr Spielball der Wellen bist, sondern du bist die Welle, die mit dem Ball spielt. Meine Erfahrung ist, dass solche Leute im Job ganzheitlichere Entscheidungen treffen, dass sie langfristiger denken und dass sie auch mal aufstehen und sagen: »Das gefällt mir nicht!« In Bezug auf soziale Rendite kann man Wirksamkeit natürlich nachrechnen, aber in Bezug auf das, was es in den Menschen ändert, wird das schon bedeutend schwieriger.
AC Ich würde gerne von dir, Joshua, hören, wie radikal du in deiner Arbeit am individuellen Leben ansetzt. Und wie definierst du Arbeit? Ehrenamtliches Arbeiten wird ja oft in Opposition zur Erwerbsarbeit gesehen.
JC Meine Motivation war nie, »mich zu engagieren«. Deshalb finde ich Ehrenamt ein ziemlich schwieriges Wort, es ist etwas, das ich als Lebensrealität nicht kenne. An einem bestimmten Punkt in meiner Biografie stand einfach die Frage, welche Entscheidung ich treffe. Das hat mit dem Abitur angefangen. Ich war auf einer Waldorfschule, und da war es selbstverständlich, dass man Abitur macht, wenn man von den Noten her kann. Mit ein paar Leuten aus meiner Klasse war ich der Meinung: Das ist doch Käse. Ich hatte keine Ambitionen, zu studieren. Vielmehr wollte ich herausfinden, was ich mit meinem Leben tun will. Und ich hatte nicht den Eindruck, dass ich dafür in der Oberstufe den Raum habe, weil dort alles in festen Strukturen abläuft. So haben wir uns zu sechst ein eigenes dreizehntes Schuljahr organisiert, in einem Haus gewohnt und intensiv nach unseren individuellen Wegen gesucht. Ich würde nicht sagen, dass ich Projekte mache, um irgendjemandem zu helfen, sondern dass ich etwas tue, weil es mit meinem Leben zu tun hat. Es geht mir nicht darum, Strukturen zu verändern, damit die Strukturen anders sind, sondern es geht immer um Menschen mit all ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten. Wo immer es feste Strukturen gibt, besonders institutionalisierte, wird es einfach irgendwie langweilig.
AS Ich denke, es fühlt sich für viele Jugendliche so an, dass Institutionen relativ kalte Konstrukte sind. Wer ruft schon beim Bildungsministerium an und sagt: »Hey, berate mich mal in Bezug auf meine Zukunft«? Und ich denke, es ist eine ganz wichtige Funktion von Jugendorganisationen, dass sie – indem sie sich ernsthaft mit jungen Leuten beschäftigen – eine große Integrationswirkung haben. Wir überlegen mit jungen Leuten, wo sie mal ihren Platz sehen. Welche Werte treiben sie dabei an, welche Ressourcen gibt es? Meine Bekannten in Griechenland bekommen zum Beispiel ständig zu hören: »Euer Uni-Abschluss ist nichts mehr wert, ihr könnt eigentlich nur noch ins Ausland gehen. Da braucht ihr natürlich fließendes Englisch und am besten noch vier andere Sprachen. Dazu natürlich Mega-Praxiserfahrung. Dann könnt ihr losziehen, eure Familie und alles zurücklassen und mal gucken.« Was bedeutet das für junge Menschen?
AC Ich glaube, dass man heute viel mehr Erfolg haben kann, wenn man nicht auf Stipendien und Abschlüsse schaut, sondern sich fragt »Was möchte ich gerne tun?« und das dann auch tut, die wirtschaftliche Seite erstmal vernachlässigt. Für mich ist das leitende Interesse dabei: Ich möchte nicht irgendwo eine Funktion einnehmen, in der ich schlicht ersetzbar bin. Hier in Berlin, in dieser großen Metropole, wo man jeden Abend 50 neue Leute kennenlernen kann, habe ich sowieso schon sehr das Gefühl, ersetzbar zu sein. Wenn ich aber etwas rein intrinsisch motiviert tue, genüge ich mir selbst und bin in gewissem Sinn nicht auszutauschen. In meinem ökosozialen Engagement möchte ich das erst recht nicht. Deswegen habe ich ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Strukturen, weil ich das Gefühl habe, sie warten nur darauf, dass ich irgendwie »Ja« sage, um sich dann mit mir zu schmücken. Ich glaube übrigens, dass viele junge Leute Jugendengagement eiskalt als Karrierebaustein nutzen, der überhaupt nichts mit Humanismus zu tun hat.
AS Das finde ich seltsam, dass du das als etwas Schlechtes siehst. Ich kenne viele Leute, die eher aus Karrieregründen angefangen haben, sich zu engagieren, aber durch die Arbeit innerlich stark gefestigt wurden und sehr verantwortungsvolle Leute geworden sind. Das finde ich völlig legitim. Auch Menschen mit Karriereorientierung oder, sagen wir mal, großem Ehrgeiz können verantwortungsbewusst handeln. Die Debatte um die Anerkennung non-formaler Bildung baut doch auf dieser Motivation auf: Ehrenamt soll anerkannt werden, damit es dir im Berufsleben etwas bringt. Ich finde es eher problematisch, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die immer nur quatschen, aber nichts anpacken. Wenn man sich zum Beispiel Jungunternehmer anguckt, die eine Idee haben, diese umsetzen und damit Geld machen und Arbeitsplätze schaffen, ist das doch super.
AC Selbst wenn du dein eigenes Ding machst, kannst du trotzdem diese großen Strukturen von Wirtschaft und Politik, hinter denen ja viel Geld steht, nicht ausblenden. Ich sehne mich da nach einer ganz ausgebufften Strategie, mit der man beides zusammenbringen kann: Einen eigenen, unabhängigen Weg gehen und dennoch bestehende Firmen und Organisationen mitziehen. Das ist eigentlich meine Vision.
AS Was ist denn das Ziel für dich?
AC Ich möchte gerne die Ungerechtigkeit auf »glokaler« Ebene beseitigen, also sowohl global als auch lokal, und möchte mich dabei nicht von meinem Umfeld täuschen lassen. Ich will auch die Kaltschnäuzigkeit entwickeln, die es dazu braucht, nicht in der Illusion zu schwelgen, ich könnte durch halbgewalkte Projekte einen globalen Wandel Wirklichkeit werden lassen, obwohl ich de facto das Gegenteil damit erreiche, weil sie letztlich systemstabilisierend sind.
JC Bei unserer Generation erlebe ich es als ein Riesenthema, dass die äußeren Widerstände nicht mehr so klar sind. Früher gab es noch klare Feindbilder. Jetzt sind die Widerstände eher in einem selber. Wenn wir die »bösen Manager« umbringen, wird die Welt nicht anders werden. Um die Selbstbestimmung kommen wir nicht herum. Mir scheint, dass die gesamte Entwicklung auf Selbstbestimmung hinausläuft. Wie können wir uns darauf vorbereiten?
AC Bei der Selbstbestimmung sehe ich ein zentrales Problem: Wir hatten in unserer Kindheit noch viel Zeit, uns eigenständig zu entwickeln und überhaupt ein Selbst herauszubilden, haben aber auch das kompetitive Schulsystem durchlaufen und mitbekommen, wieviel Anpassung heute nötig ist. Diese Tendenz ist viel stärker geworden, und ich sehe bei der Generation nach uns die Gefahr, dass deren Selbst und Wille sich kaum noch bilden kann.
JC Meine Erfahrung ist, dass die unterschiedlichen Pole immer weiter auseinanderrücken: die eine Bewegung, die immer klarer auf Zertifikate und Karriere ausgerichtet ist, aber gleichzeitig auch eine immer radikalere Gegenbewegung von Leuten, die sagen: Darauf habe ich keinen Bock, ich mache das ganz anders.
AC Die Arbeit der Ashoka-Jugendinitiative geht ja, soweit ich das mitbekommen habe, in diese Richtung, in den Schulen Freiräume für eigenes Denken und Problembewusstsein zu schaffen, zum Beispiel mit den Changemaker AGs, die zeigen, dass Eigeninitiative und institutionelle Strukturen sich nicht ausschließen.
AS Absolut. Die Think-Tank-Mitglieder – alles Jugendliche – bestimmen, wohin die Reise geht, und der administrative Unterbau, also das Ashoka-Personal, ist eher auf der ausführenden Ebene. Normalerweise erlebe ich das andersherum. Zweitens schafft die Jugendinitiative den Sprung in die Umsetzung. Nicht umsonst nennen die sich »Think and Do Tank«. Hier werden richtige Projekte gemanagt, es wird Wirkungsmessung betrieben und viel professioneller gearbeitet als anderswo. Meines Erachtens braucht es das, um ernsthaft Räume für Entwicklung zu schaffen.
AC So etwas hat mir in meiner Schulzeit sehr gefehlt. Deshalb gehe ich im Juli in eine Schule in Sachsen und mache dort Workshops, um Projekte in der Jugendumweltbildung aus der Region vorzustellen, aber auch, um über die Möglichkeiten nach dem Abitur zu sprechen, von Programmen mit Zertifikat wie das Studium Generale in Tübingen bis hin zum Trampen um die halbe Welt. Ich möchte jetzt mal das Schlagwort »Projektitis« in den Raum werfen, als pathologische Bezeichnung dafür, dass man einfach unglaublich viele Projekte macht …
AS … zur Ablenkung …
AC … und es quasi so etwas wie »Projektzwang« gibt. Wenn sich die Leute heute einander vorstellen, sagen sie nicht: »Ich studiere dies und das und interessiere mich für Panini-Aufkleber«, sondern: »Ich habe dieses Projekt am Laufen, und dann bin ich noch hier und da involviert.«
AS Am Ende ist es die Frage der Glaubwürdigkeit. Es gibt ja diesen schönen Dreiklang: Sicherheit, Liebe, Anerkennung als die drei Grundbedürfnisse. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Ehrenamt allem voran mein Anerkennungsbedürfnis stille, dann ist meine Botschaft, etwas für andere tun zu wollen, nicht mehr glaubwürdig. Befinden sich diese Bedürfnisse nicht irgendwie in Balance, geraten die Dinge schnell völlig außer Rand und Band. Ich glaube, damit kann man die Projektitis erklären. Aber nochmal zum Thema Glaubwürdigkeit. Ein Kumpel von mir hat gerade ein Unternehmen gegründet, um ein Verfahren zu vermarkten, das bei der Silizium-Produktion 30 Prozent Energie einsparen kann. Sicherlich haben die auch einen umweltpolitischen Anspruch, aber das ist nicht der zentrale Motivator. Wenn ich darüber nachdenke, was die sinnvollste Form des politischen Engagements ist, habe ich auch noch keine Antwort. Wie siehst du das, Joshua? Ich glaube, dass Jugendliche sich in den gegebenen politischen Formen zunehmend weniger wiederfinden.
JC Genau das finde ich total super. Ich habe volles Verständnis dafür, warum das so ist. Wenn ich etwas bewirken will, muss ich bestimmt nicht Politiker werden und der Jungen Union beitreten.
AS Man könnte ja auch zu den Grünen gehen …
JC Aber man kann auch im Kleinen anfangen, demokratisch zu arbeiten. In der Art, wie wir uns zum Beispiel im Projekt »Berufswege« organisieren – mir scheint, da etabliert sich eine andere politische Kultur. Wenn man Jugendorganisationen wirklich demokratisch organisiert, läuft das in die richtige Richtung.
AS Was sollten denn die Parteien tun, um das zu verbessern?
JC Sich abschaffen.
AC Aber Zivilgesellschaft und Politik müssen doch zusammenkommen. Die Politik merkt, dass gerade junge Leute ihr nicht mehr vertrauen, dass sie sich auf die Zivilgesellschaft zubewegen muss. Kann daraus neue Dynamik entstehen? Ich glaube schon, dass wir eine Annäherung von Politik und unserem substanziellen Engagement erleben. Haben wir vielleicht jetzt die Chance auf eine auf Gegenseitigkeit beruhende Revolution von unten und oben zugleich?
AS Wenn wir uns zum Beispiel den Bereich Arbeitsmarktpolitik anschauen: Soll es die Bundesagentur für Arbeit oder sollen es die Kommunen richten? Richtig sehen könnte man es erst, wenn man das parallel laufen lassen würde, einmal zentral, einmal dezentral.
JC Das wäre eher ein struktureller Lösungsansatz. Natürlich müssen sich auch die Grundlagen verändern, damit Menschen überhaupt positiv zusammenwirken können. Aber das muss von den Menschen vor Ort ausgehen, dass sie Räume schaffen, in denen sie neue Dinge bewirken können, anders leben können. Das ist immer das, worauf ich hinaus will, und von wo aus ich beurteilen würde, wo sich Strukturen verändern müssen.
AC Das teile ich, und ich plädiere dafür, sich dabei nicht in einem Mikrokosmos abzuschirmen und Paradiesgefühle zu bekommen.
JC Da ist sie wieder, die spannende Frage: Wann schottet man sich eigentlich ab? Mit dieser Frage waren wir auch konfrontiert, als wir aus dem Abitur ausgestiegen sind. Damit sind wir ja nicht völlig aus dem »System« ausgestiegen, denn gleichzeitig sind wir in ganz viel Neues eingestiegen.
AC Ja, wohin werden wir ein- und woraus aussteigen? Vielleicht treffen wir uns in 50 Jahren hier wieder zum Tangotanzen. Ich hoffe, wir können dann im Rückblick zufrieden sein mit dem Weg, den wir gefunden haben – für uns selbst und für die Gesellschaft.