Gemeinschaft

Zukunft aus der Asche

Die Green-Phoenix-Konferenzen entwickeln globale Zukunftsmodelle.von Leila Dregger, erschienen in Ausgabe #16/2012
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© Leila Dregger

Unterschiedliche, sogar gegensätzliche Wissensströmungen, kulturelle Traditionen und künstlerische Richtungen zu vereinen, das war der Impuls von ­Robert Sundar Dreyfus, als er vor 30 Jahren das »Zen­trum der Einheit« auf der Schweibenalp gründete. Der Arzt und Psychiater war begeistert vom mythologischen Kern der Religionen. Sein Impuls hat sich seither erweitert – und mit ihm die Schweibenalp. Hinzugekommen sind die Verantwortung für die Erde, die Hinwendung zur Ökologie, zur Gemeinschaftsbildung, zur Netzwerkarbeit für Frieden und zum Modell­aufbau für eine nachhaltige Lebensweise. Als jährlicher Höhepunkt findet in dem von einer zehnköpfigen Gemeinschaft geführten Seminarzentrum jeden Herbst ein hochkarätiges Treffen statt, genannt »Green Phoenix«.
Aus meinem Konferenz-Tagebuch 2011: »Es ist noch dunkel, als verhüllte Gestalten durchs Treppenhaus huschen. Man fröstelt auf dem Weg hinüber in den Feuertempel. Sicherlich ist es vor allem die Neugier, die so verschiedene Menschen so herrgottsfrüh zusammenführt – den Computerspezialisten und die medial begabte Heilerin, den Experten für Energie­forschung und die Gemeinschaftsgründerin, die Vertreterin eines Friedensdorfs aus Palästina und den potenziellen Investor in eine Friedenskultur. Während das Feuer entfacht wird und wir den Gebeten, Gedanken und Gesängen verschiedener Traditionen lauschen, beginnt sich ein unsichtbarer Faden zu spinnen zwischen all diesen verschlafenen Menschen. Im Lauf der Tage, die wir mit diesem Morgenritual beginnen werden, wird aus dem Faden ein tragfähiger Teppich, der uns hilft, eine gemeinsame Sprache zu finden, so dass Dinge zusammenkommen können, die sonst nicht zusammenfinden.«
Das Symbol des Feuervogels, der sich neu – und grün! – aus der Asche erhebt, steht für eine Vision, die die Konferenzbegründer so formulieren: »Der evolutionäre Impuls und die aktuelle Bedrohung der menschlichen Zivilisation und Spezies können den Menschen auf ein neues Niveau des Bewusstseins und sozialen Verhaltens bringen …«
»Green Phoenix« meint eine Menschheit, die sich in Zeiten von Krise und Zerstörung mit einer neuen Ethik und einem neuen Verantwortungs­gefühl ordnet. Welche Konzepte, welches Wissen, welche Erfahrungen wollen dafür zusammenkommen? Wie verbinden sich Dinge, die bislang Gegensätze waren, z.B. Ökologie und Ökonomie, Wissenschaft und Spiritualität, globales Denken und lokales Handeln? Wie bildet man dafür eine stabile menschliche Basis? Die Initiatoren glauben, dass die notwendigen Veränderungen auf der Erde durch gemeinschaftliche Lebensmodelle in Gang kommen: »In diesen Modellen werden unter Realbedingungen Lösungen in Ökologie, Ökonomie, spirituellem Bewusstsein und sozialer Gestaltung getestet. Green Phoenix bringt Gemeinschaftspraktiker, Experten, Entscheidungsträger, Geschäftsleute und Sponsoren sowie eine interessierte Öffentlichkeit zusammen.«

Schafft es der Phoenix einmal mehr?
Noch klingt in mir die Musik nach, der Gitarrengesang, der so sanft begann und uns schließlich alle zum Tanzen brachte. Das waren die ­notwendigen Minuten des Verdauens nach hochkarätigen Vorträgen über futuristische Entwicklungen in Ökonomie, Ökologie und Technologie. Doch bei Worten soll es nicht bleiben. Arbeitsgruppen dienen dazu, die Experten auf die Anwendbarkeit und Realisierbarkeit ihrer Erfindungen hin abzuklopfen und gemeinsame Umsetzungskonzepte zu entwerfen. Jetzt wird die US-amerikanische Ökonomin Catherine Austin-Fitts von Teilnehmern aus Portugal und Griechenland umringt, die wissen wollen: Wie können wir dein Modell der Gemeinschafts­ökonomie real anwenden, in einem Land, das so in der ökonomischen Krise ist wie unseres? Bewohner eines israelischen Kibbutz scharen sich zusammen mit Palästinensern aus der Westbank um den Wasser- und Permakulturexperten Bernd Müller aus Tamera: Kann dein Wissen über Retentionslandschaften helfen, das Wasserproblem in Nahost zu lösen? Wie können wir zusammenarbeiten? Und dann gibt es die Gruppe über soziales Wissen, in der sich Gemeinschaftserfahrene aus Damanhur, dem Kibbutz Neod Smadar, der Schweibenalp und Tamera mit Gemeinschaftssuchenden treffen. Wie macht ihr das mit den Kindern? Wie mit der Liebe? Und: Kann euer Wissen helfen, auch in politischen Bewegungen Gemeinschaftsgeist und Wir-Gefühl zu erzeugen?
Ich bin erstaunt, wie frei und tief wir uns in den wenigen Tagen austauschen. Konkurrenz und Abgrenzung scheinen Erfahrungen der Vergangenheit zu sein, das Wissen-Wollen ist stärker.
Bei Green Phoenix 2011 wurden ökonomische, ökologische und technologische Erfahrungen und Experimente präsentiert und ihre Anwendung in verschiedenen Situationen diskutiert, seien es die Mini-Biogasanlagen von Thomas Culhane (USA), das SolarVillage von Jürgen Kleinwächter (Deutschland), die eigene Währung (»Credito«) in Damanhur, die Wasserretentionslandschaft von Tamera oder die alpine Permakultur der Schweibenalp. In einem täglichen Forum kam es zu menschlichen Offenbarungen, bei denen man spürte, wie tief der globale Wandel auch im einzelnen Menschen verankert werden möchte. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Vertrauen und Wahrhaftigkeit, aber auch der Wunsch nach einem Einsatz, der in der Welt wirklich etwas bewirkt, fanden viele unterschiedliche Stimmen.

Die Frage nach urbanen Visionen …
… tauchte bei den Konferenzen bislang immer wieder auf. Ein Leben mit der Natur ist auch in Städten möglich, und das nicht nur in reichen Gegenden. Urbane Permakultur zeigt Wege der Lebensmittelproduktion an Häusern und in Dachrinnen, Regenwassergewinnung, Solarhäuser, tragbare und vertikale Gärten. Mini-Biogasanlagen, städtische Solidargemeinschaften und Tauschkreise sind nur einige Beispiele für ein gutes Leben in der Großstadt. Gerade aus Slums in Kenia oder Brasilien kommen neue, praktikable Techniken – von Menschen, die keine andere Wahl mehr hatten, als selbständig zu werden.
Green Phoenix will Brücken schlagen. Projektvertreter aus prekären Gegenden berichten über Situationen, in denen der Aufbau einer Friedenskultur höchste Priorität hat. Was können wir von ihnen lernen, wie können wir sie unterstützen? Der Brückenbildung bedarf es auch zu Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft sowie zu jenen Erfinderinnen, deren Entwürfe nicht in den Kontext der Industrie passen, sondern Alternativprojekte brauchen, um sie zu erproben und zu verwirklichen. Und schließlich braucht es Brücken zu den virtuellen Gemeinschaften, den sozialen Netzwerken und globalen Bewegungen, die sich über neue Medien koordinieren. Wie können wir diese modernen Werkzeuge so nutzen, dass wir global eine kritische Masse erreichen?
Nochmal mein Tagebuch: »Die fünf Tage sind vorbei. Mein Eindruck: Der planetarische Impuls zur Transformation findet in unterschiedlichsten Kreisen statt. Gruppen mit verschiedenen Ansatzpunkten finden gemeinsame Konzepte. Gegensätze treten zurück, der Wille zur Kooperation wird immer entschiedener.« 
 

Leila Dregger (52) ist Journalistin und Vorstandsmitglied des Green Phoenix e. V.


Lust, auf den Schwingen des Phoenix mitzufliegen?
www.greenphoenixglobally.wordpress.com

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