Wer sind meine Nachbarn?
Köln ohne Autos – wenigstens an einem Sommersonntag in zwei Stadtvierteln: Der »Tag des guten Lebens« bringt Alt und Jung vor der eigenen Haustür zusammen.
Marlene, wie bist du auf die Idee gekommen, lokale Betriebe in Frankfurt miteinander und mit den Bewohnern der Stadt zu vernetzen?
Das Thema Nachhaltigkeit begleitet mich als Verbraucherin seit einigen Jahren. Es begann mit Überlegungen zur gesunden Ernährung und zur Qualität von Lebensmitteln und weitete sich dann auf den Versuch aus, nur noch ethisch vertretbare Mode zu kaufen.
Aber auch beruflich wollte ich das Thema anpacken. Bis dato hatte ich zwar Kunden ökologisch sinnvolle Alternativen in den verschiedensten Bereichen, z. B. ökologisch arbeitende Druckereien, aufgezeigt und generell nur Aufträge aus den Bereichen Soziales und Kultur angenommen, aber ich wollte meine Selbständigkeit weitergehend nutzen – mehr schaffen!
So stieß ich bei Recherchen auf den Heldenmarkt, eine Verbrauchermesse für nachhaltigen Konsum, die ich im Oktober 2013 nach Frankfurt holte.
Meine Kontakte erweiterten sich, und es entstand eine engere Beziehung mit den Frankfurter Betrieben.
Ich merkte dabei, dass ich – obwohl bewusst konsumierende Frankfurterin – viele Betriebe noch gar nicht kannte. Und ich staunte, dass sich zum Teil auch die Unternehmer untereinander nicht kannten. Deshalb konnten tolle Potenziale für Synergien und Handlungsspielräume gar nicht genutzt werden. Das wollte ich ändern.
So begann schließlich all das, was heute »Lust auf besser leben« heißt. Die Beachtung vorhandener lokaler Strukturen stand dabei immer mit im Fokus, da es zu meinen Hauptzielen gehört, das Leben in den Stadtteilen anzustoßen. Mir fehlte oft noch das Gesicht hinter den regionalen Produkten, und das anonyme Powershopping in den großen Einkaufzentren oder im Internet missfiel mir schon lange.
Wie viele Betriebe und Verbraucher nutzen das Netzwerk bereits? Wie hast du sie dafür gewonnen?
Es gibt heute rund 25 Betriebe von 200 möglichen, die als Mitglieder aktiv das Konzept von »Labl.FRANKFURT« gestalten. Sie sind in vielen Lebensbereichen aktiv: Bio-Burger-Restaurant, wasserfreie Toiletten, Bio-Gärtnerei, Bio-Babymode, Upcycling/Recycling, Selbstverteidigung, Psychotherapie/Coaching und vieles mehr.
Ein Netzwerk kann nur positiv und effektiv die Gesellschaft mitgestalten, wenn die Mitglieder hier gut aufgehoben sind. Ihre Bedürfnisse sind in diesem Fall sehr unterschiedlich, sie liegen beispielsweise in den Bereichen Marketing, Kontaktvermittlung, Effizienzsteigerung oder Kunden-betreuung. Das heißt, wir schauen: Was brauchen die Kleinbetriebe, damit es ihnen in Frankfurt gutgeht, damit sie in der Stadt wahrgenommen werden und dauerhaft Fuß fassen können? Wie können wir gemeinsam eine starke Lobby für regionales Wirtschaften schaffen? Wie lässt sich gemeinsam ein sozial-ökologischer Richtungswechsel vorleben und unterstützen?
Es fanden schon tolle Veranstaltungen statt. Wir haben mit Mini-Märkten für nachhaltige Produkte begonnen – unter dem Motto »Lust auf etwas Besonderes?« – und schaffen einen Rahmen für Dialogveranstaltungen und Aktionen. Die Betriebe sind in der Region die Experten für ihre Bereiche, also sollen sie auch so wahrgenommen werden. Das heißt: Jeder erhält die Plattform, um über sein Thema zu sprechen, und die Frankfurter können fragen und die lokalen Akteure kennenlernen. Der Bio-Burger schmeckt noch besser, wenn man weiß, dass die Chefin die dahinter stehende Haltung voll lebt. Es macht es auch einfacher, etwas mehr Geld für eine Tasche in die Hand zu nehmen, wenn man den Hersteller kennt und weiß, wieviel Zeit und Geld in hochwertigen Materialien stecken. Wichtig ist, die Menschen on- und offline zu erreichen, sonst funktioniert der Bewusstseinswandel nicht. Daher gibt es einen Führer im Web und als App, in dem alle Betriebe zu finden sind – je nach Bedarf kategorisiert. Auch die Veranstaltungen werden dort angezeigt und Betriebe vorgestellt.
Die Leute, die das nutzen, lassen sich zum Teil den »Lohas« (»Lifestyles of Health and Sustainability«, auf Deutsch: auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausgerichtete Konsum-Lebensstile) zuordnen. Es sind aber in erster Linie einfach interessierte Frankfurter, die darauf achten, was sie sich und ihrer Umwelt, ihrer Stadt zuführen. Im Internet sind es eher die Jungen, die die Idee cool finden à la »Support Your Local Dealer – Geh’ zu deinem örtlichen Händler«. Es geht darum, zu vermitteln, dass »besser leben« Spaß machen kann, dass bewusster und weniger Kaufen, Upcyceln und Selbermachen etwas Lustvolles ist.
Wie funktioniert diese Vernetzung, und was sind die Vorteile für die Betriebe und die Verbraucherinnen?
Momentan findet die Vernetzung auf lokalen Veranstaltungen statt, bei Besuchen in den Betrieben, via Social Media, wie z. B. Facebook, und auf gemeinsamen Treffen. Die Betriebe erhalten Gehör, ihre Bedürfnisse werden wahrgenommen, und der Austausch untereinander stärkt und motiviert. Viele sind Einzelkämpfer und so mit dem Aufbau und der Realität ihres Betriebs beschäftigt, dass sie sich manchmal alleine fühlen. Das Zusammensein, gemeinsam für eine Idee zu stehen – das gibt viel Energie.
Auf der Seite der Bürger sieht es so aus, dass diese endlich bewussten Konsum und eine zukunftsfähige Lebensweise mit positiven Begrifflichkeiten besetzen können. Sie finden gute Produkte und können so ihr Konsumverhalten – bestenfalls im eigenen Stadtteil – verändern, ohne dass der erhobene Zeigefinder die Laune verdirbt.
Geht es nur um ökologischen Konsum?
Nein. Das ist ein Punkt, der für »Lust auf besser leben« essenziell ist. Wir sind uns einig: Ein Unternehmen, das – unter sozialen Gesichtspunkten betrachtet – die Gesellschaft ein wenig besser macht, ist genauso wichtig für unsere Lebensqualität wie ein Bioladen mit regionalen Produkten.
Auch eine körper- und geistesbewusste Haltung gehört für mich zu dem (Un-)Wort »Nachhaltigkeit«. Nur wenn wir uns selbst mögen und kennen, können wir auch für die Gemeinschaft etwas Gutes tun. Wir fühlen uns dann nicht benachteiligt, sondern lernen, gerne zu geben und auf unsere Umwelt zu achten. Deshalb finden beispielsweise auch Aktionen wie Meditationen oder Gespräche über Lebensqualität statt. Wir sind nicht nur grün, sondern bunt eingestellt, um es mal metaphorisch auszudrücken.
Eine weitere Säule des Projekts ist die Investition in lokale Bildungsprojekte für nachhaltige Entwicklung, damit auch Kinder und Jugendliche zukunftsfähige Handlungskompetenzen erwerben und dafür sensibilisiert werden. So wurden beispielsweise in Kooperation mit dem Bio-Burger-Restaurant »Wiesenlust« und der Bio-Gärtnerei »Bärengarten« von einer Kita-Gruppe Grüne-Soße-Kräuter gepflanzt.
Was sind deine weiteren Perspektiven für Labl.FRANKFURT?
Zunächst soll das Konzept detailliert ausgearbeitet werden, so dass die Betriebe durch das Netzwerk eine starke Lobby und Unterstützung bei den alltäglichen und perspektivischen Engpässen und Herausforderungen erhalten. Es soll ein fruchtbarer Nährboden entstehen, auf dem sich neue Ideen entwickeln, Projekte und Synergien bilden. So sollen auch immer mehr Aktionen mit Kindern und Jugendlichen stattfinden.
Ein weiterer wichtiger Pfeiler ist die Finanzierung. Wir sitzen gerade an einer revolutionären Idee, die ich aber noch nicht verraten kann. Selbstausbeutung hat nämlich nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Deshalb sollen unsere Koordinatoren für ihre Arbeit bezahlt werden; ich selbst kann ebenfalls nur begrenzt unbezahlt arbeiten.
Perspektivisch geht es dann darum, auch anderswo solche lokalen Netzwerke zu gründen. Dabei sind Akteure in anderen Städte gefragt, die ebenfalls »Lust auf besser leben« in ihrer Heimat haben.
Danke für das Gespräch, Marlene! •
Marlene Haas (24), ist als selbständige Unternehmerin im Veranstaltungsmanagement und Marketing für soziale und kulturelle Aufträge sowie im Bereich Nachhaltigkeit tätig. Sie macht Yoga, verreist gerne und genießt das Leben in ihrer Heimatstadt Frankfurt am Main.
Lust auf »Labl.DEINORT«?
www.lustaufbesserleben.de
Köln ohne Autos – wenigstens an einem Sommersonntag in zwei Stadtvierteln: Der »Tag des guten Lebens« bringt Alt und Jung vor der eigenen Haustür zusammen.
Von 2008 bis 2010 arbeitete ich als Freiwillige über den »Internationalen Christlichen Friedensdienst EIRENE« im Osten Ugandas im Projekt »Salem Brotherhood«.Genau zu dieser Zeit startete ein Baumpflanzprojekt in den Dorfgemeinschaften. Die sehr ländliche Gegend
Sarah Schill berichtet in ihrem locker aufgemachten Buch »Anständig leben« über den ernsthaften Versuch, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern – mit einem Monat veganem, plastiklosem und bewusstem Konsum. Oder ist es doch nicht ernstgemeint,