Hat Gesualdo gelacht?
»Weshalb«, so ein dem Aristoteles untergeschobenes Traktat über medizinische Probleme, »sind die Genies der Philosophie und der Politik, der Dichtung und der anderen Künste allesamt Melancholiker?«
Nachdem ich etwa 22 Jahre meines Lebens mit dem philosophischen Fischen im moralisch Trüben ver- bracht habe, beschloss ich am Abend meines letzten Geburtstags, der maroden Welt ab jetzt nur noch ver- gnüglich beizukommen – was die bei weitem größere Herausforderung ist. Sie erfordert eine Menge externe Stimulation. Und genau solche bietet die »Stadt der Commonisten« in alphabetisch-poetischer Menge. Es ist das perfekte Buch für einen dieser Tage, an denen alle Bemühungen um das gute Leben auf dem heißen Stein des Konsumismus mit Schallgeschwindigkeit zu verdampfen scheinen.
Dieser wunderbare Bilderband bietet einerseits prächtige Schnappschüsse mitten aus den Herzen verschiedenartigster, über die ganze Republik verstreuter Do-it-Yourself-Projekte in Städten. Zugleich ist er ein liebevoll zusammengetragenes und zukunftsträchtig ausformuliertes Glossar vieler Begriffe, die wir zur Formulierung des »guten, selbst- gemachten Lebens« schon entwickelt haben und noch brauchen werden. Dabei stehen kontextuelle Umdeutungen von bekannten Worten wie »Arbeit« als schöpferisches Formen der vorgefundenen Weltfülle neben Neuschöpfungen wie »Bausteln« als Grenzüberschreitung zwischen den Gewerken. Dazwischen wimmelt es von fruchtbaren Projektbeschreibungen, etwa der Gemeinschaftsgärten Annalinde in Leipzig oder des Allmendekontors auf dem Tempelhofer
Feld in Berlin, ebenso wie von Porträts über Einfach- Losmacherinnen und -Losmacher wie die »Culinary Misfits«, die unkonventionell gewachsenes Gemüse schmoren. Alle Artikel sind kurz, knackig und gänzlich unakademisch. Jeder weckt enorme Lust, sofort die fremdgemachte Umwelt zu verlassen und sich auf eine Jahresreise zu allen diesen städtischen »Laboren für soziale, politische, ökologische und ästhetische Experimente« zu begeben, wie der herausgebende Transcript Verlag sie nennt. Ebendieser hat das Buch mit opulenten 450 (!) Abbildungen versehen – eine ebenso mutige wie dringend nötige Versorgung unserer Sinne mit Mutmachern.
Ein Epilog führt nochmals ein ins Universum der Subsistenz. Aber, lustig, das Buch funktioniert auch ganz ohne Text, wie mein Sohn nicht müde wird, zu beweisen. Mit seinen seit 27 Monaten diese Welt begreifenden Pfoten schleppt er den Wälzer ab und vertieft sich darin, als sei es Band III des Grüffelos. Ansonsten liegt dieses Buch auf meinem Nachttisch. Es ist kein Coffee-Table-Book. Es ist ein Never-Stop- Believing-in-Your-Acting-Book. Und es hat mich
mit einer neuen Seins-Beschreibung meiner selbst beschenkt: Ab jetzt bin ich »die Dilettante« – und übe mich im Ethos des Anfangens. Wer mehr wissen möchte,schauenachunter»D«wie»Dingfabrik«oder »3D-Drucker«.
Stadt der Commonisten
Neue urbane Räume des Do it yourself.
Andrea Baier, Christa Müller, Karin Werner
Transcript, 2013, 232 Seiten
ISBN 978-3837623673
24,90 Euro
Das Buch kann hier kostenpflichtig bestellt und kostenfrei heruntergeladen werden.
»Weshalb«, so ein dem Aristoteles untergeschobenes Traktat über medizinische Probleme, »sind die Genies der Philosophie und der Politik, der Dichtung und der anderen Künste allesamt Melancholiker?«
Clowns gehören auf Kindergeburtstage, sollte man meinen. Doch seit den Protesten in Heiligendamm gegen den G8-Gipfel 2007 sieht man sie mehr und mehr auch bei politischen Aktionen: Eine bunte Armee, versprengte Regimenter der »Clandestine Insurgent Rebel Clown Army«, kurz »C.I.R.C.A.«.
Der Wunsch, selbst auszuprobieren, wie sich Theorie und Wirklichkeit zusammenbringen lassen, war für Jonas und Hermann Gampe der Antrieb, ein eigenes Stück Land zu suchen. Zwischen Würzburg und Aschaffenburg, am Rand der großen Wälder des Spessarts, entsteht nun inmitten von Feldern ein Permakulturpark.