Mut zum Irrtum
Sie legen einfach drauflos. Aber die Einladung zum Fehlermachen ist bei den Leuten von »Trial & Error« kein Selbstzweck, sondern feiert das kreative Potenzial, das in jedem offenen Experiment steckt.
Ein junger Mann reist von der amerikanischen Westküste zurück nach Europa. Verstaut in einer mannsgroßen Cargokiste, führt er eine besondere Fracht mit sich. Wenn irgend möglich, muss er mit eigenen Augen bezeugen können, wie sie von Transportbändern verbracht, von Gepäckarbeitern verladen, von Flugzeugbäuchen verschluckt und wieder freigegeben wird. Sobald sein inneres Koordinatensystem die Kiste einmal nicht mehr orten kann, ist er in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Zwangsläufig wird er sie im weiteren Verlauf aus den Augen verlieren, doch nie aus dem Sinn.
»Das Tagewerck, das mir aufgetragen … erfordert wachend und träumend meine Gegenwart«, zitiert der autobiografische Erzähler aus einem Brief von Goethe an den Philosophen Lavater. Und so kann auch er nicht ruhen. In jedem Augenblick der Reise ist die Kiste der seltsame Attraktor, um den seine Aufmerksamkeit gravitiert, wachend wie träumend. Das Tagewerk, das ihm vom Schicksal zugedacht worden ist, ist das des Zeugen, Boten und Schwellenbegleiters.
Bei einer Klettertour im Yosemite-Nationalpark traf der Schweizer Protagonist einen jungen österreichischen Bergsteiger. Zwischen den beiden entwickelt sich eine innige Freundschaft, die bald schon auf die härteste Probe gestellt wird: Nach dem Absturz von einer Granitwand weicht der Erzähler nicht von der Seite des tödlich verwundeten Freundes. Über Stunden steht er ihm bei, gibt ihm zu trinken, spricht ihm Trost zu. Noch bevor der Rettungshubschrauber kommt, wird er ihm die Augen schließen. Wo eben noch Leben war, ist jetzt Tod. Ihm, der lebt, bleibt nichts anderes übrig, als den Gang zum Elternhaus des toten Freundes anzutreten und seinen Leichnam nach Europa zu überführen.
Albert Vinzens’ bibliophil gestalteter Prosadichtung ist in jeder Zeile die luzide Wachheit und gesteigerte Sensibilität eingeschrieben, die nur jemandem zu eigen ist, der von einer Grenzerfahrung zurückgekehrt ist. Der Leser darf daran Anteil nehmen durch federleichte, durchlichtete Sprache, die das bleierne Sujet gleichsam beflügelt.
Tod durch Granit
Autobiographische Skizze.
Albert Vinzens
AQUINarte Literatur- & Kunstpresse 1998, 48 Seiten
ISBN 978-3933332303
17,00 Euro
Weiterlesen: Jon Krakauer: In eisige Höhen • W. G. Sebald: Nach der Natur • Michael Hamburger: Todesgedichte
Sie legen einfach drauflos. Aber die Einladung zum Fehlermachen ist bei den Leuten von »Trial & Error« kein Selbstzweck, sondern feiert das kreative Potenzial, das in jedem offenen Experiment steckt.
Seit 2006 gibt es die Singgruppe an der psychiatrisch-neurologischen Klinik Christophsbad in Göppingen. Sie ist offen für derzeitige und ehemalige Patientinnen, Mitarbeiter, Angehörige und Menschen aus der Umgebung. Die heilsame Kraft des gemeinsamen Singens entfaltet sich besonders dann, wenn es um Freude und Verbundenheit statt um Leistung und Perfektion geht.
Katharina Baum steht mit grauem Pullover und roten Filzhausschuhen am Türrahmen. Zwischen ihrer Wirbelsäule und der Wand ist ein faustgroßer Ball eingeklemmt, mit dem sie sich auf und ab bewegt. Mit dieser Technik kann sie verschobene Wirbel oft selbst wieder einrenken. Die diffusen