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Das einfühlsame Elterngehirn (Buchbesprechung)

von Julia Vitalis, erschienen in Ausgabe #31/2015
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Im Buch »Das einfühlsame Elterngehirn« fließen unterschiedliche Paradigmen zusammen. Der Bindungsexperte Daniel Hughes und der klinische Psychologe Jonathan Baylin stellen zunächst neurowissenschaftliche ­Theorie und Fachtermini vor, bis sie im zweiten Teil zur Praxis gelangen. Das Werk wendet sich somit ebenso an Fachleute und Therapeuten wie an Orien­tierung suchende Eltern. Der theoretische Teil ist aufschlussreich, enthält aber keine neueren Erkenntnisse – beispielsweise zum »Bauchgehirn« oder zum »fühlenden und denkenden Herzen«. Im Wesentlichen geht es um die »blockierte Fürsorge« – ein gestörtes Eltern-Kind-Verhältnis, das sich auf Verhaltensänderungen beim Kind konzentriert.
Die Autoren beschreiben unter anderem ein Experiment mit Ratten, die nach einer Kokaingabe ihre Jungen ignorieren. Dazu direkt ins Verhältnis setzen sie einen Versuch, in dem Mütter zu künstlichem Des­interesse an ihren Babys angehalten wurden – selbstverständlich hatte das negative Folge. Abgesehen von der ethischen Fragwürdigkeit solcher Experimente irritierte mich die Logik, man könne von der einen auf die andere Situation schließen und dadurch zu Thesen über die blockierte Fürsorge kommen.
Erfreulich ist hingegen, dass sich die Autoren überzeugend für konstruktive Ansätze im Sinn einer harmonischeren Familiendynamik in Alltag und Therapie einsetzen. In ihre Vorschläge zum Umgang mit Kindern und Jugend­lichen fließen die positiven Auswirkungen von durch Meditation erreichter Achtsamkeit ein. Wesentlich für »SANE«, das von ihnen entwickelte Modell, sind ein spielerischer Umgang, Akzeptanz, Neugier und Empathie. Die Methode wird anhand von vielen Fallbeispielen sowohl aus Therapiesitzungen als auch aus familiären Konfliktgesprächen erläutert. Dabei sind die Autoren der Ansicht, dass ein Kind nur dann lernt, mit seinen Emotionen umzugehen, wenn sein Gegenüber es in Gefühl und Stimmlage möglichst genau imitiert. Würden die Eltern immer nur ruhig bleiben und sprechen, erlebte das Kind nicht genügend Empathie.
Man kann sich von »SANE« inspirieren lassen, es mit anderen Modellen vergleichen und dann für sich klären, welches dem eigenen Typ entspricht. Meiner Meinung nach ist allerdings nicht die perfekte Anwendung einer Methode entscheidend, sondern ob Eltern in authentischer Weisheit agieren. Ob es sinnvoll ist, über den Umweg der Neurowissenschaften zu versuchen, gestörte Beziehungen zwischen Eltern und Kind zu heilen, scheint mir ­zweifelhaft. ◆ ­


Das einfühlsame Elterngehirn
Wege zu einer harmonischen ­Eltern-Kind-Beziehung.
Daniel Hughes, Jonathan Baylin
Arbor Verlag, 2013

299 Seiten
22,90 Euro

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