von Stephanie Wunder, erschienen in Ausgabe #58/2020
Auf den 400 mitreißend zu lesenden Seiten ihres Buchs »Das Sterben der anderen. Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können« läßt Tanja Busse fachliche Laien und Umweltexpertinnen gleichermaßen fundiert und dennoch leicht verständlich tief in die Dramatik des Artensterbens eintauchen. Auch mir, die ich seit über 15 Jahren in der Umweltwissenschaft arbeite, führt die Autorin bislang ungekannt deutlich vor Augen, dass wir uns – 66 Millionen Jahre nach dem letzten Massenaussterben, unter anderem der Dinosaurier – bereits mitten im sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte befinden. Warum wir dennoch so scheinbar ruhig bleiben, während um uns herum nicht nur spezialisierte Arten, sondern auch »Allerweltsarten« wie Feldgrashüpfer, Laufkäfer und Schwalben massenhaft schwinden und Ökosysteme zusammenbrechen, versucht Tanja Busse zu ergründen. Sie stößt dabei auf die psychologische Gegebenheit, dass jede Generation als normal empfindet, was sie erlebt – weil wir Heutigen uns kaum an andere, ökologisch vielfältigere Zustände entsinnen können, fällt uns der Artenschwund nicht auf. Ambitionierte nationale und internationale politische Abkommen, die den Biodiversitätsschwund aufhalten wollen, suggerieren, dass etwas getan wird – doch werden sie bislang noch immer nicht mit effektiven Maßnahmen unterfüttert. Auf ihrer Suche nach Lösungsansätzen untersucht Tanja Busse besonders die Rolle der Landwirtschaft, die mit ihren Kleinstrukturen und ihrer Anbauvielfalt die Biodiversität vor nicht einmal 100 Jahren noch befördert hat. Das heutige Agrarsystem drängt Landwirte hingegen zur Intensivierung und zum Anbau von Reinkulturen und ist damit einer der Hauptverursacher des Sterbens der anderen. Dennoch macht es sich Tanja Busse zum Glück nicht leicht und gibt sich hier weder »Bauern-Bashing« noch Schwarzweißmalerei hin. Vielmehr beleuchtet sie das Problem aus allen Perspektiven, indem sie etwa Wissenschaftlerinnen und ambitionierte konventionell wie ökologisch wirtschaftende Landwirte trifft. Busse zeigt Alternativen; sie durchleuchtet politisches Handeln bzw. die Machtstrukturen des politischen Unterlassens; und sie illustriert ihre auf zahlreichen wissenschaftlichen Studien basierenden Analysen immer wieder anschaulich anhand eigener Erfahrungen. Dieses Buch erscheint mir als eine aufrüttelnde Pflichtlektüre nicht nur für alle, die dem Rückgang der Artenvielfalt in Zeiten der Klimakrise Einhalt gebieten wollen, sondern auch als eine tolle (Geschenk-)Lektüre ohne Moralisierungsabsicht für all diejenigen, die bislang noch glauben, dass das Problem doch nicht so groß sei oder nur in anderen Teilen der Welt stattfinde.
Das Sterben der anderen Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können. Tanja Busse Blessing, 2019 416 Seiten ISBN 9783896675927 18,00 Euro