Commonie

In der Wolfsburg

Franziska Schmidt und Tobi Rosswog fordern mit anderen zusammen die mächtige Auto-Lobby heraus – und sie fordern endlich eine Grundsatzdebatte.
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Seit wir vor drei Monaten nach Wolfsburg gekommen sind und auf einem Acker in der Nähe des Fabrikgeländes von Volkswagen das Protestcamp »Stop Trinity« eingerichtet haben, hat sich viel getan. Unser Widerstand richtet sich gegen die geplante Fabrik, in der das Elektroauto »Trinity« gebaut werden soll, auf einer Fläche von 130 Hektar – und damit gegen die Zukunfts-strategie von Volkswagen. Wir haben die »Amsel44« bezogen und bekommen in diesem Projekthaus zum Vernetzen von Kampagnen und Aktionen von vielen Menschen Besuch. Zusammen haben wir uns schlaugemacht, wie man es mit einem großen Konzern aufnehmen kann – und jetzt geht es langsam los. Bisher besteht die Mahnwache nur aus ein paar Zelten, der »Wolfsburger Anzeiger« fragte allerdings bereits, ob Wolfsburg-Warmenau womöglich zum Hambacher Forst der Verkehrswende wird. 

Die Stadt möchte den Protest verhindern, unser Camp sollte hinter Sicht- und Lärmschutzwänden verschwinden. Wir ließen uns von den örtlichen Behörden jedoch nicht einschüchtern und klagten; das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gab uns in zweiter Instanz recht. Auch unseren Infostand auf einem Parkplatz in der Porschestraße wollte die Stadt trotz Anmeldung nicht zulassen. Wieder beharrten wir auf unserem Recht. Seit dem Urteil aus Lüneburg lässt uns die Stadt mehr oder weniger freie Hand – und doch lässt das Vorgehen erahnen, wie eng Wolfsburg mit VW verzahnt ist.

Von Seiten der Menschen in der niedersächsischen Stadt erhalten wir bisher eher Zuspruch als Wut und Ablehnung. Dabei hängen 50 000 Arbeitsplätze in der Region direkt von diesem weltgrößten Autowerk ab. Die Leute schätzen, dass wir, ohne mit irgendwelchen verborgenen Seilschaften verquickt zu sein, den »Elefanten im Raum« benennen: Eine echte Verkehrswende – also etwa die Förderung von viel mehr Bussen und Bahnen – kann eher eine Zukunftsperspektive für alle bieten als die Elektrifizierung des Individualverkehrs!

Die Konzernleitung hat sich bislang nicht zu unseren Protesten geäußert, dafür aber den betriebseigenen Sicherheitsdienst neben der Mahnwache Posten beziehen lassen. Wir sehen das gelassen, zeigt es doch, dass diese Leute uns ernst nehmen. Auch sonst ist auf dem Acker inzwischen einiges los: Die Wolfsburger Sektion des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) besuchte uns bereits, ein NABU-Mitglied lud zum Spaziergang über den von Versiegelung bedrohten Acker ein. Das Vernetzungstreffen Verkehrswende brachte eine Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren aus den Bewegungen in der Höhle des Individualverkehrs-Löwen zusammen. 

Noch immer steht die Grundsatzdebatte zur Verkehrswende aus! In die heiße Phase geht der Protest im kommenden Jahr, wenn der Acker zur Baustelle werden soll. Dann wird es sicher auch darauf ankommen, wie viele weitere Menschen sich zu uns in die Wolfsburg wagen.   Franziska Schmidt und Tobi Rosswog


stop-trinity.de


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