Die von Holger Eggerichs mitbegründeten Cloudsters sind eine Gemeinschaft, die an einem konkreten Ort verankert ist und zugleich die Idee der kollektiven Intelligenz einer »Wolke« aufgreift.von Lara Mallien, erschienen in Ausgabe #20/2013
Aus dem Impuls, sich stärker lokal zu verankern, entstand ein Naturkindergarten. Familie Eggerichs verteilte 100 Briefe an Haushalte in ihrem Kiez, in denen sie fragte, wer Lust hätte, auf dem Brachland hinter der Uniklinik das »Projekt Natur« für Kinder und Jugendliche ins Leben zu rufen. Die Küche der Familie wurde zum Planungsbüro und platzte daher bald aus allen Nähten. Die Gruppe war herausgefordert, verteiltes Arbeiten einzuüben. Holger Eggerichs konnte entsprechende Software zur Verfügung stellen und war erstaunt, welch große Expertise sich in der Gruppe für eine solche Arbeitsweise entwickelte. Aber auch das Zusammenkommen in der Küche blieb wichtig. »Da entstehen flusige Ideen. Manches ist am nächsten Morgen noch plausibel, dann wird es noch ein wenig ausgebrütet und schließlich projektiert.« Im Jahr 2006 stand ein Zirkuswagen auf einer gemähten Wiese, und Kinder tobten täglich durch das wunderbar verwilderte Gelände. Getragen wurde der Naturkindergarten vom neugegründeten Verein Lubeca – das ist der lateinische Name der alten Hansestadt und soll für ein zukünftiges Lübeck stehen. »Lubeca, das war für uns ein Synonym für Utopia«, erklärt Holger. Das Ziel »Kindergarten« begreift der Verein nur als eine Etappe. Als nächstes entstand das »Projekt Wolke«. »Was könnte ein zukünftiges Bild von Arbeit im Sinn von Entschleunigung und mehr Selbstversorgung sein, das weiter geht, als nur das Wirtschaftswachstum zu kritisieren?«, lautete die Frage, und da dies eine globale Frage ist, wurde der alte Vereinsname zu eng. So nannte sich Lubeca in »cloudsters« um. Inzwischen haben die Cloudsters einen konkreten Ort im Zentrum der Stadt in der Braunstraße zwischen Petri- und Marienkirche. »Frag mal die Cloudsters«, heißt es inzwischen in Lübeck, wenn Bedarf an Unterstützung in Sachen Organisation, Ideenentwicklung oder Räumlichkeiten besteht. Auf den ersten Blick wirken die Räume wie ein Co-Working-Space, aber der Begriff passt nicht ganz, erklärt Holger. Die typischen Büros für kokreatives Arbeiten leiden unter dem Druck, sich durch Vermietung der Schreibtische finanzieren zu müssen, und Druck ist Gift für gemeinschaftliche Kreativität. Deshalb sind die Cloudsters als Verein organisiert. 20 Euro im Monat beträgt der Mitgliedsbeitrag, der die Grundkosten zu sichern hilft. Das heißt aber nicht, dass in diesem Raum nur Gemeinnütziges stattfindet, denn Wirtschaften an sich im Sinn von kreativem Unternehmungsgeist sehen die Cloudsters-Mitbegründer positiv. Wer Mitglied wird, bekommt eine Cloudsters-Visitenkarte und Zugang zum Intranet mit zahlreichen Kommunikationswerkzeugen. Und wenn eine Idee entsteht, etwas in den Räumen anzuzetteln, wird zur Tat geschritten. Den Cloudsters ist es wichtig, nicht als Alternativszene-Projekt wahrgenommen zu werden, sondern in die Mitte der Gesellschaft zu gehen. »Im Intranet diskutiert zum Beispiel ein Polizeibeamter mit einer kreativen Sozialunternehmerin und entwickelt Ideen – Menschen aus unterschiedlichsten Milieus.« Das Ergebnis sind diverse Zukunftswerkstätten und Aktionen in der Stadt. Zum Beispiel ein Markt in den Cloudsters-Räumen, in dem sich Menschen mit ihren Fähigkeiten und Angeboten fantasievoll darstellen. Oder eine Art Schnitzeljagd durch alle Lübecker Einrichtungen, die im weitesten Sinn mit Weiterbildung zu tun haben – angelegt als Krimi, bei dem ein Mord aufgeklärt werden soll. Oder ein Drachenbootrennen auf der Trave, das durchaus etwas mit der Zukunftswerkstatt »Mobilität«, die kürzlich stattfand hat, zu tun hat. Ein typisches Kleinstadtprojekt? Inzwischen gibt es Cloudsters auch in Städten wie Hamburg, Stuttgart und Berlin. Sie finden ihre jeweils eigenen Formen und wollen als gemeinsame Klammer eine Stiftung gründen. Die Wolke wird sich ausbreiten.